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Sciller-Lerikon.

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Erläuterndes Wörterbuch

Schiller's Diebterwerfen

Unter Mitwirfung

von

Karl Goldbeck

bearbeitet von

Ludwig Rudolph.

Erfter Band IE

Mit dem Bilbnifie Schiller’e.

> . Berlin

Nicolaiſche Verlagsbuchhandlung (A. Effert und 2. Lindtner)

1869.

72.13: 3% 2 v. nu /

Borrede.

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In dem Herzen jedes edlen Menſchen wohnt ein unvertilg⸗ barer Trieb, aufwärts zu blicken, etwas Höheres zu ver- ehren. Dieſer Trieb ift die Duelle der Keligion; ihm entftammt auch die Huldigung, die.wir unfterblidem Ver⸗ dienst erweijen. Einem ſolchen angeborenen Zuge des Herzens find die Volker aller Zeiten gefolgt, indem fie ihre großen Dichter verehrten; fie betrachteten fie als ihre Lehrer. Bei Den Griechen lernten die Knaben an dem Homer lefen; in den jüdifhen Prophetenſchulen wurde die Poeſie als einer ter wichtigften Unterrichtögegenftände betrachtet; bei den nor- diſchen Völkern waren die Stalden und Barden nicht nur die einzigen Vertreter der geifligen Bildung, ſondern aud die eigentlihen Inhaber und Bewahrer der Volksmoral. Es ift daher natürlih, daß auch hei und die Poefie auf dem Gebiete der Sugenderziehung von den früheften Lebens⸗ jahren an eine wichtige Rolle fpielt, und daß fie gleichzeitig dem gereiften Alter eine dauernde Quelle des erhebendften Genuſſes wird. Die Werke der Dichtkunſt dem großen Kreiſe der Gebilbeten, denen es zu eingehenden Studien an Zeit wie an Hülfäquellen fehlt, zum vollen Verſtändniß zu bringen, jebem Leſer die richtige Auffaflung alles Ein- zelnen, als ber unentbehrlihen Grundlage des Ganzen, zu ermögligen, das ift eine der würdigſten Aufgaben. %

IV Borrede.

Unter unfern Dichtern nimmt Schiller in dem Herzen feiner Nation den erften Plaß ein. Er ift, wie kein anderer, in's Bolt gedrungen; feine Werke finden ſich in den Paläften der Großen, wie in der befcheibenen MWohnftube des Hand⸗ werferd, auf den Nepofitorien der Gelehrten, wie auf den zierlichen Stageren der feinen Damenmwelt. Seine Gedanken ertönen aus dem Munde des Volkes in taufend „geflügelten Worten” und GSerttenzen; in den Schulftuben laufcht Die Jugend den wunderbaren Klängen feiner Lieder und Balladen; auf den Brettern, die die Welt bedeuten, fieht der begeifterte Süngfing, wie ber mit dem Ernſt des Lebens vertraute Mann die Geftalten früherer Jahrhunderte in ber verflärten An-

ſchauungsweiſe des Dichters an feinem geiftigen Auge vor⸗

überſchreiten. Schiller iſt mit einem Worte der erklärte Liebling des deutfhen Volles. Bor Allem aber jhäben wir ihn um feines philofophtihen, auf das Ideale geridy- teten Geiftes willen. Die Deutihen find ein denkendes Volk, und daß Schiller vorzugsweije philoſophiſcher Dichter ift, gerade das hat ihn zum Liebling feiner Nation gemacht. Der Deutihe will auch auf dem Gebiete der Poeſie nicht bloß genießen; er verlangt mehr, er will zum Denken angeregt werden. Diefem nationalen Bedürfniß Tommt Schiller wie fein anderer Dichter entgegen; er will daher nicht bloß gelefen, er will ſtudirt fein.

Dei Goethe, dem Meifter der deutjchen: Lyrik, gemügt ed, dag man fid) mit feiner eigenthümlichen Lebens» und Weltanfhauung vertraut made, daß man gemeinfam mit ihm empfinde. Wem das gelingt, ber verfteht ihn ſogleich; wer defjen aber nicht fähig if, dem pflegen aud die beften Erläuterungen nur wenig zu helfen. Schiller dagegen ift der Dichter der Neflerion, er verlangt, daß man ihm nachdenke.

Borrede. v

Sich in die Empfindung eines Anderen zu verſetzen, iſt nicht Jedem gegeben; aber ſeinen Gedanken zu folgen iſt leichter möglich, wenn es nur nicht an der richtigen Anleitung fehlt. Sin Dichter wie Schiller verträgt daher nit nur einen Sommentar, fondern für Viele iſt er eines ſolchen auch bedürftig.

Freilich ift die Meinung, unjer großer Dichter biete eigentlidy Teine erheblichen Schwierigkeiten dar, ziemlidy weit verbreitet; indeflen find feine Dichtungen keinesweges eime leichte Lectüre; es ſteht gar Vieles zwiſchen den Zeilen, was fh nicht Jeder die Mühe giebt, berauszulefen. Seine eigenen Worte: „Was er weile verſchweigt, zeigt mir den Meiſter des Stils” gelten von ihm in fo hervorragendem Mate, daß Alle, denen es um ein tieferes Verftändniß feiner Werte zu thun ift, fih wohl bewußt fein werden, wie Vieles ihnen noch als ein verſchloſſenes Bud erſcheint. Die Siegel deſſelben zu löjen, das ift die Aufgabe, welche fih die Ver⸗ fafler der vorliegenden Arbeit geftellt haben.

Die vortrefflihen Arbeiten von &. Schwab, Hoffmeilter, Balleste und Sof. Bayer, welde das Keben des Dichters im Zufammenbange mit feinen Werken zum Gegenftande ihrer Darftelung gemacht, fowie die ſchätzenswerthen Er⸗ läuterumgen einzelner Dichtungen von Hinrichs, Viehoff, Götzinger, Dünger und Anderen haben Schillers Werte dem Verſtändniß des deutihen Publicums näher gebracht; indeflen iſt es doch immer nur ein verhaͤltnißmaͤßig geringer Theil der Gebildeten, der fidy der Mühe unterzieht, Arbeiten wie die genannten durchzuſtudiren, um fi allmälig ein ſelb⸗ ftändiges Urtheil zu bilden. Berüdfitigen wir außerdem, welche bedeutende Verbreitung Schiller’d Werke jeit dem Er- löihen des Cotta'ſchen Privilegiums erfahren; berüdfichtigen

vI Borrede.

wir ferner die neue bei Cotta erſchienene Ausgabe, in wel- her unfer Dichter zum erſten Male in dem ganzen Umfange jeiner Werke der Ehre gewürdigt wird, wie ein Klaffifer des griechiſchen Alterthums behandelt zu werden: ſo wird das Publicum deſſelben vorausfichtlich und hoffentlich ein immer groͤßeres, und das Bedürfniß, ihn vollſtändig zu verſtehen, ein immer dringenderes.

Einem ſo weit verbreiteten Bedürfniß kann unſerm Ermeſſen nach nur ein Woͤrterbuch abhelfen, welches dem Leſer mühſames Nachſuchen und Studiren erſpart, ihm dagegen bei jedem Anſtoß raſch ein Mittel an die Hand giebt, über die ſtörenden Klippen hinwegzukommen, über jede Frage, die ſich ihm aufdrängt, ſchnelle und ſichere Aus⸗ kunft zu erlangen. Gerade in dieſer letzten Beziehung aber iſt für Schiller noch außerordentlich wenig geſchehen; hödy- ſtens findet fich dies und jenes in einzelnen zerſtreuten, dem großen Publicum nicht zugänglichen Journalartikeln oder Programmarbeiten, während die Dichter der Alten, ſo wie die klaſſiſchen Werke der Franzoſen bereits überreich mit Commentaren verſehen ſind. Wer Schiller's Werke genauer ſtudirt, der bemerkt bald, mit welcher unermfidlichen Sorgfalt und welder außerordentlichen Gewifjenhaftigkeit er durchweg gearbeitet bat; fie find, abgejehen von ihrem hohen bid- terifchen Werthe, gleichzeitig ein unvergänglicdes Denkmal deutfchen Fleißes und deutſcher Gründlichkeit. Dieje nicht hoch genug anzuſchlagenden Eigenſchaften auch weiteren Kreiſen zum Bewußtſein zu bringen, betrachten wir als eine Aufgabe von wahrhaft nationaler Bedeutung und zu⸗ gleich als einen Tribut der Dankbarkeit, welcher den Manen unſeres Dichters gebührt.

Vorrede. VII

Wir legen daher dem Publicum in unſerer Arbeit zum erſten Male einen vollſtändigen Commentar zu Schiller's Dichterwerken in der Geſtalt eines Woͤrterbuches vor, wel⸗ ches von uns nach einem gemeinſam verabredeten Plane abgefaßt worden iſt. War es anfangs die Abſicht der beiden Berfafier, die Arbeit gleihmäßig unter ſich zu theilen, fo bat doch der auf dem Titel zuerft genannte, von mweldem auch die erfie Anregung zu dem Unternehmen ausgegangen, durch mancherlei Berufsgejchäfte und andere dringende literarijche Arbeiten in Anſpruch genommen, den größten Theil der Aus- führung und Bearbeitung dem in zweiter Reihe genannten Berfafler überlaffen müffen. Bon dem erfteren (G.) rühren daher in diefem Bande nur die Abhandlung über die Braut von Meifina, desgleichen mehrere Artikel wie Bibel, Geifter- jeher, Homer u. dal. her; außerdem aber hat er fi ber Aufgabe unterzogen, das von dem zweiten (R.) abgefaßte Manufcript einer jorgfältigen Revifion mit bejonderer Rüd- ficht auf die altlaffiihe Literatur zu unterwerfen. Ferner dürfen wir nicht unerwähnt laffen, daß wir uns bei ber- Bearbeitung unferes Werkes anfangs eine doppelte Aufgabe geftellt hatten; es follte nicht nur eine volksthümliche Arbeit werden, fondern es follte gleichzeitig wiſſenſchaftlichen An- forderungen genügen. Diefed doppelte Streben wird der I&härfer blickende Beurtheiler hoffentlich herauserkennen; nichts⸗ deſtoweniger find wir und wohl bewußt, daß wir bei dem nah und nad wachſenden Umfange der Arbeit davon haben Abſtand nehmen müflen, jeder berechtigten Forderung zu genügen, daß wir vielmehr den bejheidenen Zweden einer populären Darftellung ein entſchiedenes Bor- recht eingeräumt haben. Wir bitten daher, bie Arbeit, wie

VIII Vorrede.

ſie hier vorliegt, als ein Unternehmen zu betrachten, das eines weiteren Ausbaues nicht nur fähig, ſondern in man- hen Beziehungen gewiß auch bebürftig ift.

‚Indem wir und num die Frage vorlegen, weldhe Kreije von unferer Arbeit Gebrauch machen Tönnen, jei es uns geftattet, einen Blid auf die Lebensſphären zu thun, welde und während der Arbeit ftetig vorgefchwebt haben. Es giebt wenig höhere Lehranftalten, in denen Schiller's Dichtungen nicht gelefen und erläutert werden, wenig Familienkreiſe, in denen feine Werke: nicht ftets neuen Genuß bereiten und bie edelſten Bebürfniffe des Geiftes befriedigen. Aber gering, die Anzahl Derjenigen, die jedes Gedicht ſogleich voll- ftändig verftehen, über jede Stelle jogleich völlig genügende Auskunft geben können. Hunderte und Laufende mögen ſich bei vielen Gedichten bloß an dem prächtigen Klange ber Verſe ergößen, ohne ein tiefere Verſtändniß derjelben an⸗ zuftreben. Viele kehren von Zeit zu Zeit zu ihren. Lieblings- gedichten zurüd und laffen das Uebrige als unverftänblid) bei Seite liegen, während fie bei einiger zweckentſprechenden Unterftügung die Anftrengung nicht ſcheuen würden, durch welche allein ihnen ihr Dichter zu einer wahrbaften Duelle des Genufjes und der Belehrung werden kann. Aber Mangel an Zeit, umfangreihe VBorftudien zu machen, Mangel an Hülfsmitteln, das Unentbehrliche aufzufinden, find ſchuld daran, daß die von dem Dichter beabfihtigte Wirkung fo häufig nur unvollfländig erreicht wird. Wir find überzeugt, daß befonderd die eben bezeichneten Kreife den Werth der vorliegenden lericaliihen Cinrihtung zu würdigen wiſſen und derjelben vor einem mit oft mehr ftörenden als will-

fommenen Fußnoten belafteten Texte den Vorzug geben

werden.

Vorrede. IX

Se reicher ein Dichter iſt, deſto mehr bedarf er ber Erflürung; nun findet fi aber gerade bei Schiller ein fol her Reichthum realer Kenntniffe und eine folde Fülle idealer Anſchauungen, daB man eigentlid von Niemandem erwarten ann, er werde ſich bei der Lectüre fogleich auf jedem einzelnen Gebiete vollftändig heimiſch fühlen. Den Leer fchnell auf das betreffende Gebiet zu verfegen, ift daher unjere Aufgabe geweien. Wir haben deshalb zu jedem einzelnen Gedichte eine kurze Einleitung, oder je nad Bebürfniß eine Ueber⸗ ht feines Inhalts gegeben. Ehen jo ift jedem Drama ein umfangreiherer einleitender Artikel gewidmet, welcher bie Entſtehungsgeſchichte des Stüdes wie feine hiſtoriſche Grund⸗ lage vorführt, außerdem aber eine gebrängte Charakteriſtik der handelnden Perſonen, eine Ueberfiht über den Gang der Handlung, die Entwidelung der zu Grunde liegenden Idee und eine Würdigung der ihm zu Theil gewordenen Beurtbeilungen enthält. Wir wollen den Lefer mit biejen Einkeitungen auf den Standpunkt ftellen, von weldem aus ex das betreffende Kunftwert mit wirklidem Nutzen betrach⸗ ten kann.

Daß wir uns bei den gegebenen Grläuterungen einer gewifien Kürze befleipigt haben, wird der einſichtsvolle Leſer jedenfalls billigen, dba wir ihn nad dem Vorbilde unjeres Dichters mehr zum Denken anregen, als ihm das Denken abnehmen wollen. Wir haben und zwar die Aufgabe ge- ſtellt ihm zu Hülfe zu kommen, wollen ihn aber keinesweges mit überflüffigen Auseinanderfegungen beläftigen. Wenn deſſenungeachtet ein Artilel wie der über die Braut von Meſſina eine größere Ausdehnung und mit derjelben eine ihärfere Fritifche Haltung erhalten hat, jo wird dies in dem '

x Borrede.

Charakter des Stüds, das aus der Reihe der übrigen Dra- men in eigenthümlicher Weife heraustritt, feine Rechtfertigung finden. Sonft lag uns vor Allem daran, den Dichter zu erflären, weniger ihn zu kritifiren. Das Verſtändniß mög- lichſt allfettig zu erjchließen, ſchien uns wichtiger als ver- meintlihen Fehlern nahzufpüren, befonders um der Jugend willen, auf die wir bei wmferer Arbeit beſonders Rückficht genommen, und der biejelbe unbedenklih in die Hände gegeben werden Tann. Crläuterungen, welde den unreifen Leſer zum leichtfertigen Abſprechen anleiten, ftiften unjerer Meberzeugung nach mehr Schaden als Nutzen; während ſolche, die ihm ‚das Dunkele zum Verſtändniß bringen und ihn befähigen, das Schöne zu empfinden, ihm wahrhaft erfprief- lich werben Tönnen. Schiller verdient es gewiß, daß wir ihm vor Allem unjere Liebe entgegen bringen; es ift bies wichtiger, als unſern Scharffinn an ibm .zu erproben. Wir baben und daher allerdings nicht gejcheut, ihn zu beurtheilen, ung aber wohl in Acht genommen, ihn zu verurtheilen. Kunftwerke, die fi) einer allgemeinen Anerkennung zu er- freuen haben, müfjen überhaupt nicht mit dem Secirmeffer bes Talten Berftandes zerlegt werben; nothmendiger ift es, daß wir und mit offenem Blid und warmem Herzen dem wohlthuenden Eindrud bingeben, den fie auf und machen, ohne jedoch unfer Auge gegen das zu verjchließen, was des Stempels der Vollendung etwa noch entbehrtl. Nur dann fönnen wir dem Dichter gerecht werden, wenn wir beraus- fühlen, was er gewollt hat, wenn wir ihn an feinem eigenen Maßſtabe meilen, nicht aber, wenn wir ibm Vorſchriften machen, denen er hätte genügen follen. Darum haben wir es und auch angelegen "fein laſſen, das vergleichende Stu- bium des Dichters nah Kräften zu fördern. Denn oft

Borrede. xI

trägt ein Gedicht zum Verſtändniß des anderen bei; mun- ches Epigramm erläutert einzelne Stellen in den Dramen; und dieje oder jene Abhandlung ift als ein wichtiger Gom- mentar für Die Tendenzen anzufehen, die” den Dichter bei leinem kũnſtleriſchen Schaffen geleitet haben.

Außer den einleitenden Abfchnitten zu den Gedichten und den Dramen findet der Leſer in unjerer Arbeit noch eine beträchtliche Anzahl von Artikeln, welche Einzelheiten betreffen, über die er Belehrung verlangt. Wir weifen zu- nähft auf die Mythologie hin, die bei feinem Dichter eine fo hervorragende Rolle fpielt wie bei Schiller. Umfang⸗ reihe Darftellungen in mythologifhen Werken nachzuleſen, iſt bei der Lectüre eines Dichters nicht nur ermüdend, fon- dern auch flörend, bejonderd wenn man ſchnell das haben mil, was man augenblidlih gebraudt; außerdem aber ift ed belannt, daß bei Benennungen, wie: „der.Thrafer, der Thymbrier, Tantal's Tochter, der Gott der Eile, der jchilf- befränzte Gott“ u. ſ. w. uns viele mythologifhe Handbücher im Stich Iaffen. Für ſolche Fälle kommt dem Lejer unſer Woͤrterbuch nicht nur fchnell zu Hülfe, fondern es macht ihn auch mit dem ganzen Umfange bekannt, in welchem der Dichter die betreffende Gottheit in jeinen Werken zur An- ſchauung gebradyt oder zu höheren poetifchen Zweden benutzt bat. Und es ift feine Frage, daß Belehrungen, die man fh für einzelne bejondere Fälle holt, viel befler haften

bleiben, als alles Studium der Mythologie im Allgemeinen, wobei man doch immer Vieles für den vorliegenden Zweck Entbehrlihe mit in den. Kauf nehmen muß.

Achnlih dürfte es dem Leer mit vielen gejchichtlichen Berfonen geben; denn Benennungen wie: „der Gräßer, der Halberfläbter, der weimarijche Held, der königliche Bourbon,

XII Vorrede.

die lothringiſchen Brüder” u. ſ. w. find Ausdrücke, deren ge- ſchichtliche Beziehung wenigſtens nicht Allen ſogleich gegen- wärtig ſein dürfte. Hier kommen wir mit Erläuterungen zu Hülfe, die in hiſtoriſchen Werken nur mühſam nachgeſchlagen werden koͤnnen und dem vorliegenden Bedürfniß doch nicht immer entſprechen. Eben fo iſt es mit geſchichtlichen An- Tpielungen, wie „die ſpaniſche Doppelherrſchaft, die ſieben Weiſen Griechenlands, die fiebzig Dolmetſcher“ u. |. w., Ausdrüde, die dem Unkundigen ftetd eine augenblidliche Verlegenheit bereiten , in der es ihm willkommen fein muß, wenn er eine dunkele Vorſtellung mit einem Haren Bilde vertaufchen Tann. Desgleichen macen bibliſche oder andere literariide Namen und Anjpielungen, wie „Apoftel, Ardye, - Adrameleh, Armide, Grandiſon, Idris, Pamela u. a. m. ftet3 nähere Angaben wünſchenswerth.

Ferner erinnern wir daran, daß Schillers Dramen in Betreff der Mannigfaltigfeit des Schauplaßes, auf dem fie ih bewegen, einen reichen Umfang geographilcher Kenntniffe vorausſetzen, und daß Häufig nicht nur die Lage der Ort⸗ Ihaften für das Verſtändniß einer Stelle von Bedeutung it, ſondern oft aud die politiſche Stellung, welche einzelne Ländergebiete in der betreffenden Zeit einnahmen.

Schließlich machen wir auf zujammenfaljende Artikel, wie: Aftrologie, Bibel, Fremdwörter, Homer, Lyriſche Poefie u. dgl. aufmerkfam, welche nicht nur den Zwed haben, das vergleichende Studium des Dichters zu fördern, jondern welche gleichzeitig anziehende Seitenblide in die geiftigen Vorrathskammern gewähren, aus denen jein Genius zu ihöpfen pflegte. Was fonft an naturwiffenihaftliden An- ihauungen, von Erklärungen landfchaftliher und techniſcher Ausdrüde, jo wie von Wörtern und Wendungen vorkommt,

Borrede. xiu

mit denen Schiller die deutſche Sprache bereichert hat, ſo würde es zu weit führen, alle. dieſe Einzelnheiten aufzu- zählen; wir haben das Ganze fo einzurichten verſucht, daß der Leſer nicht leicht etwas Weſentliches vermiflen wird. Wir hoffen ſomit dem betheiligten Bublicum einen wichtigen Dientt zu leiften, da wir keinesweges der Anſicht find, daß duch das Zurückführen der Didytungen auf ihre Quellen, fo wie durch Erläuterungen der Genuß beim Leſen getrübt werden könne. Im Gegentheil fmd wir der Meinung, daf tiefere umd gründlichere Einſicht entſchieden dazu beiträgt, den Genuß zu erhöhen, ja ihn im Sinne des Dichters erft mögli zu maden.

„Denn bei den alten lieben Todten

Braucht man Erklärung, will man Noten;

Die Neuen glaubt man blank zu verftehen,

Do ohne Dolmetſch wird's auch nicht gehen.” Goethe.

Möge das, was wir zu geben verſucht haben, mit Tremdliher Nachſicht aufgenommen werden; möge es aber auch dazu beitragen, eine Sache zu fördern, die es verdient, daß fih die Kräfte aller Gebildeten ihr widmen. Wie Schiller's Werke jest nicht mehr ausſchließliches Gigenthum einer einzelnen Firma, jondern wirkliches Nationaleigenthum geworden find: jo kann auch die Aufgabe, dad Verſtändniß derfelben "zu fördern, nicht Monopol weniger Einzelnen fein, fondern fie ift eine allgemeine, eine deutſche Angelegenheit. Wir werden daher jede Belehrung, jede Berichtigung, die uns zugeht, im Intereſſe der Sache mit Freuden begrüßen und für die Zukunft gewiſſenhaft berüdfichtigen, damit die unter vielen Mühen zu Stande gebradte und mit gewiß

xIV Borrede.

nicht zu verfennenden Schwierigkeiten verknüpfte Arbeit nad und nad) einer größeren Vollendung entgegen geführt werde. Schiller, hervorgegangen aus einer fturmbewegten Zeit, ift nicht nur eine belle Leuchte für unſer Sahrhundert, er ift auch der Prophet einer fernen Zukunft geworden. Die Schickſale, die er erlebt, erregen noch jeßt die Theilnahme aller fühlenden Herzen; die gewaltige Arbeitöfraft, die er entwicdelt, ift und bleibt ein Gegenftand der allgemeinften Bewunderung. Er bat die Poefie neu verjüngt und fie zu einer fiegreihen Macht erhoben, vor der die Großen ber Erde fi) beugten; er hat wejentlich dazu beigetragen, unjern geſellſchaftlichen Zuftänden ein neues Gepräge zu geben, er hat es wie Keiner verftanden, dem geiftigen Leben einen nie geahnten idealen Schmud zu verleihen. Aber Schiller tft nicht bloß ein edler Sänger, er iſt auch ein großer Menſch, ein wahrhaft erhabener Geift, deſſen Herz für Gott, Tugend und Unfterblichfeit eben jo wie für Wahrheit, Freiheit und Recht gefchlagen; in dem deutſcher Sinn und deutſches Weſen ih zur -ebelften Blüthe entfaltet; der Wiſſenſchaft und Kunft zu einem fhönen harmonischen Bunde zu verſchmelzen gewußt; defjen ideales Streben uns eine lebendige Gedankenwelt ber- porgezaubert hat, wie fie in allen Literaturen der Welt ver- geblih ihres Gleichen ſucht. Einer der bervorragenpdften Lehrer der Menfchheit, ift er unendlich reih an großen Ge- danken über unjere Beftimmung und verfieht ed, unferm Streben die ebelften Ziele vorzuhalten; denn er dachte groß von der Menichennatur, ron Einzelnen wie von ganzen Dölkern. Darum werden feine Werke fort und fort ein Born bleiben, an welchem alle edlen Naturen fi erfrifchen, feine Begeifterung wird, wie bisher, das Banner fein, um

Vorrede. xv

welches alle Diejenigen ſich ſchaaren, an die der Ruf zu großen Thaten ergangen iſt.

Da das deutſche Volk bisher jedes Unternehmen, das nd die Aufgabe geftellt, ed mit dem Dichter feines Herzens inmiger vertraut zu maden, freudig begrüßt hat: fo hoffen wir auch mit dem vorliegenden Werke, weldes dem Leſer außer ben gegebenen Erläuterımgen gleichzeitig eine Menge edler und unſchätzbarer Bildungselemente zuführen will, feine vergebliye Arbeit zu liefen. Möge diefelbe bazu beitragen, dat Deutichlands Lieblingsdichter nicht, wie jo vieles Andere, nur für den flüchtigen Genuß des Augenblids in Anſpruch genommen, fondern daß er durd Förderung eines allfeitigen Berftändniffes eine wahrhaft erquidende Geiſtesnahrung und \omit volles Eigenthum unferes Volles werde.

Berlin, im Januar 1869.

Ludwig Rubolyh. Karl Boldbed.

gem.

Grklärıng der Zbkürzungen.

bedeutet abgekürzt.

uhr RR Tr m cm

I} [2 w s ra

Abkürzung. Ahfönitt. Accufatin. Adjectiv. altdeutſch. althochdeutſch. arabiſch. Buch der Aeneide. Band. beſonders bildlich. bisweilen auch. Braut von Meifina. Den Carlos. das if. Demetrins. besgleichen. Dreißigj. Krieg. ebendajelbfi. ehemals. eigentlich. Einleitung. engliſch. ergaͤnze. Fiesco. franzöfiſch. Goethe. Gedicht oder Ge⸗ dichte. gemein (in der Sprache des ge⸗ meinen Lebens)

—— an te ea —— *

Gen. bedentet Genitiv. gew. gewoͤhnlich. | gL R. glieiches Ramend. Gr. d. ®. Grimmts beutfches Rörterbud. gt. griechiſch. gr. H. a. d. n. Geſch.⸗ großmũthige Handlung aus der neueſten Geſchichte. Gſtſ. Geifterfeher. H. d. K. Huldigung der Künfte. bebr. » bebräticd. Boll. » bolländiic. Iph. er Iphigenie. Il. 3Ilias. ital ⸗italieniſch. J. v. O. Jungfrau von Orleans. 8.2.9 Kinder des Hauſes. K. u. L Aabale und Liebe. Int. Tateinifc. Mcb. » Machetd. Menichenf. Wenſchenfeind. Metr. Neberi. Metriſche Ueber⸗ J ſetzungen. Alth. Maltheſer. M. St. » Maria Stuart. mittl. Tat. mitilere® Latei- niſch (Latein des Nittelaktert).

Myth.

Mythologie.

N. a. O. neulat. niederd. niederſ.

nord. Myth.

Dd.

Par. Partie. perſ. Perſ.⸗Verz.

Erklärung der Abkürzungen. bebeutet Reffe als Onkel.

neulateintich. nieberbeutich. niederſãchſiſch. norbifche Nytho⸗ logie. Odyffee. Paraſit. Particip. perſiſch. Perſonen⸗Ver⸗ zeichniß. Phaͤdra Phonicierinnen. Biccolomint. Pluralis. polniſch. Prolog. Räuber. ruſſiſch. flehe auch. fiehe dieſes. ſũddeutſch. fo viel als. fo viel wie. Seite. Scene. Schiller. ſchweizeriſch. ſogenannt. ſpaniſch. Spiel des Schid- falß.

Sp. u. d. &

fpr.

Str.

subst. tartar.

techn. Ausdr.

Zur. tũrk. uvam. ungar.

urſpr.

V. a. v. &

verd. vergl. Bel.

Borer. Borr. wörtl. Brb. Bit. Bf 2

Bft. T. W. T. Zw.⸗H.

bedeutet Spaziergang un⸗

ter den Linden. ſprich. Strophe. Subſtantivum. tartariſch. techniſcher Aus⸗ druck. Turandot. türkiſch. und anbere mehr. ungartich. urfprünglich. Bert. Berbredier aus verlorener Ehre. verberbt. vergleiche. Berkleinerung, Berfieinerungs- form. Borerinnerung. Borrebe. wörtlich. Barbed. Wallenſtein. Wallenſteins Lager. Wallenfteins Tod. Wilhelm Tell. Zwiſchen⸗ Hand⸗ lung.

Bei den Dramen iſt nach Act und Scene citirt; MR. III, 2 bebeutet alſo: Räuber, Act IU, Sc. 2. Wo dies nicht möglih war, wie in ber Braut von Meflina, dem Geifter- jeher u. f. w., beziehen ſich die Ziffen auf Band unb Geite ber Cotta'ſchen Aukgabe

von 1847,

Aachen (Bed. Der Graf von Habsburg), eine Stadt in

der jegigen preußifchen Rheinprovinz. Als Lieblingsſitz Karls des Großen, welcher dort in dem von ihn ſelbſt gegründeten Münfter begraben ift, wurde es Kroͤnungsſtadt der Deutjchen .Kaller. 2 Aar (Ged. Das Eleufiiche Feſt). Dieſes Wort wird jept als der dichteriſche Ausdrud für „Adler“ angelehen, nad Gr. d. W. iſt es nad) dem gothifchen ara bed Adlerd echter Name, „erſt and dem zufammengejegten adalaro (db. i. Edelaar) gieng unfer jcheinbar abgeleitete adler hervor, und aar gilt noch in höherer Dichterſprache. Doch Luther jagt mır adeler, Goethe nur adler”; Schiller gebraucht beides. S. Zeus.

Abbadoͤnna (R. IN, 2), hebr. Abaddoͤn, nah Dffenb. Joh. 9, 11 der Engel des Abgrund od. ber König ber böfen, dem Menſchen Berderben bringenden Mächte, in Klopftods Meiſſias ein böfer Geift, der, nachdem er fi} dem Plane ber ‚anderen Böfen vergeblich wiberjept bat, ben Herrn am Delberg xreuevoll um Verzeihung bittet.

Abbe (Sed. Die berühmte grau. R. 1,2. &ftj.10,137). Der franzoͤiſche Ausdrud für Abt. Juͤngere Söhne adeliger Bamilten erhielten Häufig durch königliche Bunft, mit der An—

wartſchaft auf eine Abtei, den vorläufigen Titel „Abbe.” Der-

felbe erhielt aber bald durch das oft fehr weltliche Treiben biefer

‚Herren einen etwas frioolen Beigeſchmack. Der Prinz Eugen war

in feiner Jugend „le petit abb& de Savoie“ gewejen, d. h. aus

bem Hauje Savoyen, welches jet an der Spitze Italiend ſteht. I. 1

92 Abdéra Abend.

Ein meifterhaft dargeftellter Typus tft der Abbe in dem Scribe: ſchen Stüde Adrienne Lecouvreur. Die Stelle in den Räubern deutet offenbar auf ein (und unbekanntes) paradoxes Bud über Alerander den Großen, wie man deren noch in unferm Jahrhundert in Deutichland zur Rettung eined Nero gefchrie ben hat, |

Abdera (R. Borr.), eine griechifche Stabt an ber Küfte von Thracten. Obwohl fie fih rühmen durfte, der Geburtäort Des lachenden Philofophen Demokrit zu fein, war fie doch wegen der Albernheit ihrer Einwohner im Altertbum berücdhtigt, was be- kanntlich Wieland in feinen „Abderiten“ höchſt ergöglich darge⸗ ftellt hat.

abe (R.IV,3) für ab, wie es in geiftlichen Liedern ehemals nicht felten vorfam und Sch. ald Reminiscenz vorfchweben mochte; in Gr. d. W. findet ih diefed Wort nicht.

Abend, Der (Ged.) Ungeachtet feiner entfchiedenen Bor: liebe für gereimte Verſe hat Sch. hier, und zwar auf Wunfch W. v. Humboldt’8 ein antikes Versmaß, ähnlich dem der Horazi⸗ fhen Oden, gewählt. Dad Gedicht (am 25. Sept. 1795 an Körner geſchickt) hat dadurch einen eigenthümlichen Reiz befommen; ed tft, als ob Klänge aud einer fremden Welt und anwehten, die nichtödeftomeniger einem wohlbefannten Inhalte auf's innigfte fih anfchmiegen. Auch Außerte fih Humboldt im höchften Grade befriedigt durch das Gedicht. Er fagt: „Es herrſcht in ihm ein fehr einfacher und reiner Ton, bad Bild malt fi fehr gut vor dem Auge des Lejerd, und dad Ganze entläßt ihn, wie man fonft nur von Stüden der Griechen und Römer ſcheidet.“ Str.1: Der ftrahlende Gott ift Phöbus (ſ. Apollgn). Str. 2: ftatt Tethys fteht irrthümlich in einigen Ausgaben Theti (vergl. die beiden). Eine befondere Schönheit liegt in dem Paralle- lismus, welden die dritten Verſe der drei erften Strophen dar- ftellen, wodurd die Hauptmomente, in welche dad Gemälde aud- einandergelegt tft, höchſt malerifch hervortreten. Bei dem Bor: trag tft auf fie ein befonderer Accent zu legen.

Anführen Adhat. 8

abführen, ſich (K. u. 8. 1,1), bedeutet nach Gr. d. W. „fi entfernen, fortmadyen, abfahren, fterben”.

abgezogener Begriff (Br. v. M. Ueber ben Gebrauch bes Chors in der Tragödie). Sch. Üüberfept damit das Fremdwort „Abftraction”, ſ. Gr. d. 8. unter abziehen.

abkappen (R. IV, 3) nach Gr. d. W., für abkoppen (couper), abhauen, ſigürlich einen abkappen, derb abweiſen, abfahren laffen.

Abraham's Schooß (Wt.L.8), Anſpielung auf Luc. 16, 22.

Abſalon, David's Sohn; Abſalon 8 Zopf (Wit. L. 8), An⸗ ſpielung auf 2. Sam. 14, 26.

Abſchied vom Lefer, das Schlußgebidht des erften Bandes, führt in fpäteren Ausgaben die Ueberſchrift: Sängers Abichieb (1. d.).

Abſtreich (N. 1,2), nad Br. d. W. subhastatio, eigentlich das Mindergebot, im Gegenſatz zu Aufftreidh (ſ. d.), Mehr: gebot.

Abt (W. T. II, 2), der Vorfteher eines Klofterd. Abtei (®. 2. 8), die Wohnung und Pfründe eined Abtes. Web: tiffin (R. II, 3), die Vorfteherin eines Ronnenflofters.

Abijdos (Geb. Hero und Leander), Stadt in Kleinafien, an der jchmaljten Stelle des Helledpont d. i. der Darbanellen.

Ycamas (2. DB. d. Aen. 45), nad Koch's Wörterbud zum Birgil „ein Sohn des Theſeus und der Phaͤdra“; es ift an bie: ſer Stelle wohl ein vom Dichter willkürlich gewählter Name.

Achäer (Iph. I, Zw.⸗H.) ober Achaier (Geb. 2.2. d. Yen. 56), ein häufiger Name für die Sriechen, nach einem ber vier Hauptftämme derſelben, der in fpäterer Zeit feinen Siß vornehmlich in Achaja, dem nördlichen Küftenlande bed Pelo- ponnes hatte; beſonders werben ſie oft von Homer jo genannt.

Achat (R. II, 3), ein bereits im Altertum hochgeſchätzter Stein, der übrigens weniger als Ringftein, dagegen mehr zu Moſaikarbeiten verwendet wird.

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4 Ahkron Adler.

Achiron (Bed. Semele 2 Ph. J, 1), ein Fluß in der Un» terwelt, oft auch dieſe felbit; der acher ont'ſche Kahn (Ged. An Goethe), ſ. Charon; bildl. „über den A. fördern” (R.I, 2), 4.v. w. den Tod geben; vergleichend: „Sollen wir bier fichen wie bie Narren am Acheron?“ (F. IV, 4), die Schatten ber Berftorbenen mäfjen nämlich warten, bis Charon fie mit fei- nen Kahne abholt.

Adilleide (Geb. 2. B. d. Xen. 87), d. ti. der Sohn des Achilles, Neoptolemud, au Pyrrhus genannt.

Achilles, abge. Achill (Ged. Hektors Abſchied und 2.2, d. en. 5), der Sohn des theflaliichen Fürften Peleud und der Thetis (Ged. Kaſſandra und Iph. I, Zw.:H.), nad) feinem Vater oft ber Pelide (Ged. 2. B. d. Aen. und Iph. J, Zw.:H.), nach feinem Großvater Adacud (Iph. III, 4), dem Vater des Peleus, auch der Heacide (Iph. IV, 3), mit Rückſicht auf die Abkunft yon jeiner göttlichen Mutter au (Iph. I, Zw.:9.) „Zeus glor: reicher Enkel”, nad feinem Baterlande (2. B. d. Aen. 33) „per ‚thefialiiche Achill“ genannt, war (Iph. III, 4) von Chiron (. d.) erzogen worden und erjcheint ald der Hauptheld in der Ilias. Er war der Anführer der Myrmidonen (Sph. IV, Zw.:9.), ‚über: haupt aber der Schönfte, Gewandteſte und Tapferfte ber grie- chiſchen Heerführer vor Troja; daher (Iph. IV, Zw.⸗H.) „ber Tapferfte der Inachiden“ (ſ. d.). Schon in Aulis follte er vorgeblich mit Agamemnon's Tochter Sphigenta (Iph. I, 1), ſpä⸗ ter vor Troja mit Poldrena (vergl. Ged. Kaflandra) vermäplt werben. Als Knabe war er von feiner Mutter in das Waſſer bed Styx getaucht worden, um ihn unverwundbar zu machen; ‚aber an der Ferſe, bet welcher fle ihn gehalten, empfing er burch Barid einen Pfeilſchuß und fand fo feinen Tod.

Adiver, iin der Octavausgabe von 1835, 3,-27 und 53 faäͤlſchlich für Argiver, ſ. d.

Acte (M.St.I,7). Berfügung, Beſchluß bes Parlaments,

Adler, Der, einer der größten und ftärkiten Raubvögel, iſt in Tünftleriihen Darjtellungen oft ſinnbildlich benutzt ‚worden.

Anus aberiren. 5

a3 König ber Vögel war er bereits im Alterthum der Bogel deB Zeud (Bed. Das GÄF) und in Folge deſſen das Sinnbilb der DOber- und Atteinherrkbaft. Bekannt tft, daß er den roͤmi⸗ [hen Legionen ftatt unferer Fahnen als Feldzeichen diente. Unter den teutfchen Katjern führte ihr zuerft Otto IV. (1198— 1213) auf Siegeln. In das Reichsbanner, welches früher den Erzengel Michael geführt Hatte, Fam er erft unter Katfer Sigismund (1410 bis 1437). Bildlid wird Adler daher für das deutiche Neid gebraucht, wie (W. 7. U, 1) „bie Stäbte, die unter'n Schirm bes Adlers ſich geflüchtet.”

Admetus, abgek. Admet (Geb. d. Götter Griechenlands), König von Pherä in Thefjalien und ein Schügling bed Apollo, der eine Zeit lang als Hirt bei ihm gebient hatte (Homer ZI. 2, 715. 763). Er liebte die Alcefte, weldhe ihm von ihrem Bater Peliad zur Sattin verheißen worden war, jedoch unter der Beringung, daß er einen Löwen und einen Eber vor bden- jelben Wagen fpannen follte. Apollo war ihm bei der Erfüllung Dieter Aufgabe behülflih. Auch hatte ihm ber Gott die Unfterb- lichkeit gemwährleiftet, wenn beim Herannahen feined natürlichen Endes ein Anderer für ihn fterben wollte. Alcefte, feine Ge⸗ mablin, entſchloß ſich dazu. Herkules aber entriß fie dem Tode und gab fie dem Admet zurüd. Euripides bat dieſen frei: willigen Opfertod der Alcefte zum Gegenftande ſeines gleich:

namigen Drama’3 gemacht.

Adoͤnis (Myth. Ged. Rente, B. 5 u. 6. Die Götter Griechenlands, Str. 4, B. 8), der Sohn bed Königs Chniras vor Enpern, wurbe von ber Vems geliebt, aber auf Beran- lafſung des etferfüchtigen Mars durch einen Eber tödtlidy ver wundet. Venns eilte zwar ſchnell zu Hülfe, kam jedoch zu ſpuͤt, ſo daß Ihr nichts weiter übrig blieb als bie Klage um ihren Sichling.

wostiren, von dem lat. adoräre, anbeten (3. v. Di IV, 8), die fonft nur einer Heiligen gebührende Verehrung ex: wetien.

6 Adramélech Aegis.

Adramelech, hebr., der Name eines Abgottes, ſ. v. w. herr⸗ licher König, ein Götze, der nach dem Charakter der aſſyriſch⸗ babyloniſchen Mythologie irgend einen vergötterten Himmels⸗ körper bezeichnete und dem man nach 2. Kön. 17, 31 Söhne verbrannte; Klopftock's Adramelech (R. Borr.) iſt in deſſen Mef- ſfias ein mit Satan verbündeter Teufel.

Adraftus, abgek. Adraft (Spb. I, Zw.⸗H.), ein mythiſcher König von Argos, einer der fieben Helden gegen Theben (j. Amı- phiaraus und Atalanta), wurde fpäter König von Sicyon, deffen Herricher Poͤlybus kinderlos geftorben war, ſ. Phönizierinnen.

Aeacide a | f. Allen,

Aegeus, in der Detavaudgabe Egeuß (Ph. I, 3), König in Athen, war mit Meta vermählt, hatte aber feine Kinder. Als er ein Orakel deöwegen um Rath fragte und eine bunfele Ant: wort erhielt, begab er fich, um Aufllärung zu erlangen, zu fei- nem &aftfreunde Pittheus (Ph. II, 2 und IV, 2), dem König von Trögene, der ihm feine eigene Tochter zuführte. Diefe ward die Mutter feined Sohnes Theſeus, der bier erzogen wurde. Aegeus hinterließ ihr Schwert und Schuhe, die er unter einem Felsblock verbarg, indem er der Mutter fagte, daß er an biefem Zeichen einft jeinen Sohn erfennen wolle. .

Yegide, f. Aegis.

Yegina (Iph. III, 4), die Tochter des Ylußgottes Aſopus in Böotien, gebar dem Jupiter den Aeäkus (vergl. Achilles).

Aegis oder (Ged. 2.3. d. Xen. 39) Aegide, ber Schild des Zupiter und ber Minerva, auf welchem die Gorgo, ein mit Schlangen umfäumtes Medufenhaupt (ſ. Medufa), dargeftellt war. Zeus jchüttelte feinefurdhtbar ſtrahlende und-leuchtende Aegis (Ged. D. Siegeöfeft), wenn er Sturm und Gewölk erregte; ſomit ift fie urfprünglich wohl nicht? Anderes ald dad Abbild der Gewitter: wolfe. Im weiteren, bejonders tim bildlihen Sinne verftebt man unter Aegide jede ſchützende Bedeckung.

Aegypten Aenkas. 7

Uegypten (Ged. Der Ring des Polykrated), eind der älteften Eulturländer der Welt, im norböftlichen Afrika. Die Regierung des Königs Amaſis, 570 v. Chr., bezeichnet einen funzen Glanzpunkt dicht vor dem Untergange ber Gelbftändig- keit des Reiches. Berühmt find beſonders die Ueberrefte koloffaler, von den despotiſchen Königen unternonmener Bauwerke, wie 3 D. der Pyramiden, wonad Aegypten ald „das Sand der Py- ramiden“ bezeichnet wird (GEſtſ. 10, 162), |. „dad verjchleierte Bild m Said.”

Aeltervater (D. C. V, 7). Die ift Karl V., Kaifer von Deutihland, als König von Spanien Karl I., weldher 1556 ab: dankte und ſich in das fpanifche Klofter St. Sufte zurüdzog. Deber jeinen Aufenthalt dafelbft, wie über das Berhältnig zu \emem Sohne, König Philipp II, find die feltjamften Mährchen verbreitet worden, wozu auch die Aeußerung Lerma’d zu rechnen Mt. Philipp war vielmehr ber reſpektvollfte Sohn, ſowohl vor als nach Der Abdankung feines, vor und nach der Abdankung, in Spanien allmäcdhtigen Baters, |. Mignet, Charles-Quint & St. Just. Auch das bekannte ſchöne Gedicht Platen’d: „Der Pilgrim von St. Juſt“ ift völlig mährdhenhaft. Karl V. ift am heflen Mittag mit großem Gefolge in das Klofter eingezogen.

Aelteſte Thron der Chriftenheit (M. St.II,4), d. h. der Tranzöflfche, wenn man als feinen Gründer den Franken: Kinig Chlodwig, 481 511, anſieht.

Yencad (Ger. 2.2. d. Aen. 1), |. Homer Il. 2, 820; 13, 428, 465; 5, 265, 311; 20, 258, der Sohn des Anchiſes und der Benus, der Stammvater der Römer, war aud der noch brennenden Stadt Troja (weshalb er Ged. 4.3. d. Yen. 18 der Phryger genannt wird, wo Phrygien, ber Name der mitt: leren Landſchaften Kleinafiend, im weiteren Sinne genommen wird), nachdem er biefelbe gegen die eindringenden Griechen ver: geblich vertheidigt, mit feiner Gattin Kreufa und feinem Sohne Ascanius (abgek. Aſkaͤn) geflohen, landete zuerft an der thraziichen

8 Aenelde Aeſchylus.

Kufte, ſpaͤter an ber Nordafrika's, wo Juno, bie Beſchützerin des entſtehenden Karthago, ihn durch die Liebe zur Dido zu feſſeln ſuchte, damit er Rom nicht gründen könnte, denn ſte wußte, daß dieſer Stadt einft Karthago erliegen würde. Er ge: langte aber nach Stalten und Iandete an der Küfte Latium! Sein Sohn gründete Alba Longa, und aus biefer Stadt ſtammteé Romulus, der eigentlihe Gründer Roms.

Aeneide (Ged. Die Zerftörung von Troja), ein Helben: gedicht in zwölf Büchern, von dem römifchen Dichter Virgillus (ſ. d.), welcher in demſelben die Irrfahrten und Kämpfe bes Ae⸗ neas befingt, in dem und beflen Gefährten die Römer die U: vorfahren ihres Volkes und ihrer vornehmften Gejchlechter fahen: Zugleich feiert er in demfelben das Haus des Kaiſers Auguſtus, unter weldhem er lebte. Birgil, der nach dem homerifchen umb ipäteren Vorbildern dichtete, war bebeutender durch die Eleganz jeiner Sprache ald durch Originalität der Erfindung. Dad Ge: dicht ift von dem Franzofen Scarron (+ 1660) und dem Deutſchen Blumauer (f. d.) traveftirt worden.

Heölus, der Gott der Winde; daher die Anlifhe Harfe (Ged. Würde der Frauen), ein Snftrument, defien Saiten, wenn es im Freien aufgehängt wird, von dem Winde in Schwingung verjegt werden, wodurch höchſt anmuthige Klänge entftehen.

Aebnen (ed. Das Geheimniß der Reminiscenz R. IV, 5), aoon tft ein griechifched Wort, welches fo viel als „Zeit“, „Beitalter", auch wohl „Sahrhundert“ bedeutet, dann im weite- ren Sinne poetiſch „unermeflene Zeiträume”.

Aeſchylus (Br. v. M. Einl.). Der erfte der drei großen griechiſchen Tragiker d. i. Trauerfpielbicäter, 525 zu Eleuſis it der mittelgriedhifchen Landſchaft Attika geboren, Fämpfte bei Mai rathon, Salami und Platin gegen die Perjer mit. Cr zuerft ließ zwei Schaufpieler auftreten und ſchuf jo den Dialog, dei er zum Haupttheil des Stüded macht. Die und von ihm übrig gebliebenen fleben Tragödien find von Droyfen u. X. in's Deutſche

Aeſoͤpus Affect. 9 überfegt worden. Die Br. v. M. ift an vielen Stellen, beſon⸗ ders in ten Chören, fehr geeignet, von feinem großartigen Style eine Boritelfung zu geben.

Aeſoͤpus, der älteſte griechiiche Fabeldichter, angeblid im 6. Sahrb. v. Chr. Er fol verwachlen geweſen fein und gehintt haben; Daher (R. I, 3) „Afopiicher Krüppel“. Bor den Yabeln Lafontaine's (bei Hachette) befindet fich eine Biographie Aeſop's. Aeſopus (Iph. IT, 4) in einigen Ausgaben fälfchlich für Aſo⸗ pus (. d.).

Aeſthetik (Ged. Jeremiade), die Gefühls- oder Geſchmacks⸗ lehre, die Wiſſenſchaft von dem Schönen und der Kunft, welche dieſen Namen von dem deutfchen Philoſophen A. S. Baumgar⸗ ten, + 1762, erhielt.

äſthetiſch (Ged. Der Genius m. d. umgekehrten Fadel), geſchmackvoll, ſchön.

Aether, eig. die höhere, reinere Himmelsluft, wie (Ged. D. Entzückung an Laura Semele J H. d. K.); ferner ſinn⸗ bildlich für Unendlichkeit, (wie (Ged. D. Ideale):

„Bi an des Aethers bieichfle Sterne Erhob ihn der Entwürfe Sing.“ oder für das höchſte Wefen jelbft, wie (Br. v. M. ©. 414): „Nur ber allſehnde Aether über m Bar bed verſchwiegnen Glücks vertramter Zeuge."

Aetna (Br. v. M. ©. 417), der höchfte und, worauf fein griechiſcher Name binbeutet, feuerjpeiende Berg (11,000 Fuß) auf der Inſel Stcilien.

Aetolier, in der Octavausgabe Etolier (Phön.), Bewohner der Landſchaft Aetolien in Mittelgriechenland.

Affeet, aus dem Lat., 1) ein lehhaftes Gefühl, eine Be mũthsbewegung (B. a. v. E. 10, 83 Gftf. 65); 2) Leiden: haft (Gr. Handl. 10, 65 V. a. v. E. 106); 3) leidenfchaftliche Erregung des barftellenden Künftlerd (M. St. III, 4 Gſtſ. 192), jo wie die Hierdurch erzielte Wirkung (Br. v. M. Einl. 381), bei. der Schauber, wie (Geb. Shakeſpeare's Schatten): „ber ſchwarze

®

10 Afterfönig Ahab.

Affect“; affectvoll (Oft. 137), mit leidenfchaftlidem Nach- drud; affectirt (F. II, 2), mit verftelltem und gezwungenem Benehmen; Affectation, gem. erfünfteltes Betragen, aber „idea⸗ liſche Affectionen“ (R. Borr.) |. v. w. Geftalten, die ald das Er- geugniß einer überfpannten Einbilbungöfraft zu betrachten ſind.

Afterkönig (Dem. II, 1), ein falfcher, dem ächten Könige an Werth nachitehender König, Gegenkoͤnig; eben jo Aftertö- nigin (M. St. I, 6). Die Schiller'ſche Stelle zu Afterkönig findet fih in Br. d. W. nicht.

Agamemnon (Iph. I, 1), der Sohn des Atreus (Iph. I, 3m.:9.) und Bruder des Menelauß (|. d.), war König von My: cenä. Bon feinem erften Ahnherrn Tantalus (j. d.) an bi8 auf feine Kinder herab wurde das ganze Haus von einem feindlichen Geſchick verfolgt; vergleiche Die großartige Darftellung in Göthe’3 Sphigetie I, 3. Bei dem Audbruche ded trofanifchen Krieges wurde Agamenmnon, der allein 100 Schiffe auögerüftet hatte, von den griechijchen Yürften der Oberbefehl über das ganze Heer überfragen. Nach beendigtem Kriege kehrte er zwar glüdlich in feine Heimath zurüd, indeſſen wurde ihm hier durch bie Untreue feiner Gemahlin (j. Klytämneftra) der Tod bereitet.

Agenor, der Sage nad der Sohn bed Belus, Vater des Kadmus und der Europa, war der Ahnherr der Phönicier (Phön.), der Urahn ber Dido und Semele's Großvater (Bed. Semele 2).

Agnes (W. T. V, 1), die Tochter des im Sahre 1308 er: mordeten Kaiferd Albrecht I., verwittwete Königin von Ungarn; fie wüthete unmenſchlich, um den Tod ihred Vaters zu rächen.

Agnus Dei (M. St. V, 6), lat., bad Lamm Gottes; ein geweihtes Stüd Wachs, von ber Geftalt einer Schaumünze. Auf der einen Seite iſt das Bild des Lammes mit der Siegeöfahne, auf der andern ein Heiliger dargejtellt.

Ahab (Wit. 8. 8), der fiebente König aus dem Haufe 33: tael, regierte von 918—897 v. Chr. zu Samarla. Er wandelte in den Sünden Jerobeams (f. d.) und biente dem Baal (vergl. I. Kön. 16, 29—33).

Ahn Ag. 11

Abhn oder Aelter vater (D. €. V, 7), der Großvater; „der mütterliche Ahn“ (Ged. 4. B. d. Aen. 48) iſt Zeus. Da naͤmlich Aeneas als Sohn der Venus ein Enkel des Zeus war, ſo iſt dieſer ſein Großvater mütterlicherſeits. Der Ahnherr der Phädra (PH. IV, 6) iſt Zeus, als Vater des Minos. Im weiteren Sinne find Ahnen die Borfahren überhaupt, wie (B. %. U, 2):

„So bat bie ulte Sitte hier vom Ahn Zum GEnfel unverändert fortbeftanden.*

Aĩdes (bei Sch. Aldes), d. 1. der Unfichtbare (Ged. Odyſſeus), bei den Römern, obwohl auch dieſer Name griechifch ift, Pluto (Geb. Klage der Ceres Hero und Leander R. II, 3), der Sohn ded Kronos und der Rhea, der Bruder bed Zeus und des Bofeidon, war der Gott der Unterwelt oder bes Hades (vergl. Tar⸗ tar), wo er als Herrfcher über die Verftorbenen thronte; daher Ged. Nenie) „der Schattenbeberrfcher“ oder „der ſtygiſche Den?", (PH. IL, 5), „der Schattenkönig“ und (Geb. Glocke) „ber ſchwarze Fürft der Schatten“. Er fuhr auf einem von vier fhwarzen Rofjen gezogenen Wagen und trug einen Helm, ber ihn unfichtbar machte, woher er den Namen Aides oder Cateiniſch) Hades erhielt.

Ajax. Unter den griechiſchen Heerführern von Troja füh: ren zwei Helden diejen Namen; daher heißt ed (Iph. I, 3w.:9.):

„Erft jah ich die tapfern Zeltgenofien,

Der Ajarxe Heldenpaar, vereint

Mit Brotefilas, dem Freund,

Auf den Sigen friedlich hingegofſen;

Des Dileud Sobn, und did bie Krone

Salami furätbarer Eelamone!” Der erfte, der Sohn des Dileus, eines Königs in Lofrid, ge: wöhnlich der kleine Ajax genannt, zeichnete ſich vor Troja als einer der vorzüglichften Helden aus. Bei ber Eroberung der Stadt jedoch ging feine Tapferkeit in rohe, durch Sinnlichkeit angeftachelte Wuth über, indem er bed Priamud Tochter, Kaf ſandra, „die Priefterin“ (Ged. 2.2. d. Yen. 73), welche ji in

12 Akkon Alba.

den Xempel der ‘Minerva geflüchtet hatte, bei den Haaren von der Bildfäule der Göttin wegriß. Eine Darftellung biefer Scerte it (F. U, 17) de8 Malerd Romano „wüthender Ajax“. Zur Strafe für diefe Handlung ließ ihn bie Göttin in einem Mes reöfturme (Homer Od. 4, 499) umlommen. Der zweite Ajax, ber größere genannt, war der Sohn bed Telamon au Ge lamid. Er war von Geftalt der Gewaltigſte im griechiichen Heere und hatte zwölf Schiffe nad Troja geführt. Offen und voll edlen Stolzes ftritt er mit Odyſſeus um die Waffen des gefalle- nen Achilled, auf die er wegen feiner Verwandtſchaft und Tapfer: feit Anfprüde hatte. Da man ihm aber fein Recht nicht ge: währen wollte, fo gab er fich verzweiflungsvoll ſelbſt den Tod; baber (Ged. D. Siegeöfeft):

„Friede Deinen heil'gen Reſten!

Nicht der Feind hat Dich entrafft;

Ajarx fiel duch Ajax Kraft.

AG, der Zorn verberbt die Beften!* Sophokles hat fein Gefchid in der gleichnamigen, und erhaltenen Tragödie bargeftellt.

Akkon (Ged. D. Zohanniter), gew. Acco od. Acca, am Borgebirge Karmel in Paläſtina, wurde während ber Kreuzzüge Ptolematd, jpäter St.-Sean b’Acre genannt. Es war die leßte Beſitzung der Kreuzfahrer, indem im Jahre 1291 mit ben I hannitern die legten Ueberrefte der Chriften durch bie Mame— Iufen von bier vertrieben wurden.

Akrokorinth, j. Korinth.

Alba, Ferdinand Alvarez von Toledo, Herzog von Alba, Spanter, 1508 geboren, der bedeutendfte Feldherr Kaiſer Karl's V. dem er bie Schlacht bei Mühlberg 1547 gegen die deutſchen Pro- tejtanten gewann und jpäter bes Königs von Spanien Philipp's IE, bem er, jedoch vergeblich, die empärten Niederlande tn ſechs Jah⸗ ren blutiger Verwaltung gehorfam zu machen ſuchte. Er Trönte jein Leben durch Die 1581 unternommene Groberumg Porte gals, 1582 ftarb er. S. Sch. Abfall ber Niederlande und das

Abion alexandriniſch. 13

berrlige, audy in's Deutiche überjepte Werk bed Nordamerikaners Motiey. Alba ift der Typus des fanatiichen Vorkämpfers bes Katholicismus, ähnlich dem deutfchen Generale Pappenheim im dreigigjährigen Kriege und den Guiſen in Frankreich.

Abion (Ged. D. mmüberwindlidhe Zlotte), die alte, jetzt dichteriſche Benennung für Großbritannien, vielleiht von den weißen Kreidefellen der ſüdlichen Küften.

Albrecht, König (W. T. V, 1). Albrecht I. (1298—1308), der Sohn Rudolph's von Habäburg, ein firenger und herrſch⸗ füchtiger Kaifer, der jeine Hausmacht möglichft zu vergrößern juchte, wurde von feinem Bruderſohn, dem Herzog Johann von Schwaben (j.d.), dem er fein Erbe vorenthielt, am 1. Mai 1308 ermordet.

Alcala, bei Sch. Alcaͤla (D. €. I, 2), in Neu⸗Caftilien, .beiaß jeit 1499 eine Univerfität.

Wiceite, |. Admetus.

leid, |. Herafles.

Alerander Magnus (R. J, 1 u. IV, 1). Wlerander d. Gr., König von Macebonien (336 —323 v. Chr.), welcher in brei Schlachten, deren lebte und größte bei Arbela am Tigris ge Hiefert wurde, dem altperfiicden Reiche ein Ende machte, vergl. Abbe.

alerandrinif (R. I, 2). „Das tft ja recht alerandrinifch geflennt” jagt Spiegelberg zu Moor. Die Stadt Alerandria, in Aegypten von Alerander dem Großen gegründet, wurde unter ben Ptolemäern, d. h. den Königen diefed Landes aud dem „Beichlechte des Ptolemäus, eines Feldherrn Alerander'd, ber fi ‚zum Könige v. Aegypten machte, der Sitz reicher Bildung, Die .gber bald in rein gelehrte Forſchung überging, und deren mit. ‚unter pebantijche Träger ſchon im Altertum Gegenftand bed Spottes waren. Es ſcheint, als fei dem wüften Spiegelberg Moor's mit fo nielen geſchichtlichen Namen ausſtaffirte Betrach⸗ fung zuwider.

14 Algierer Alpheus.

Algierer (Mith.), Bewohner des Berglanded Algier am Abhange des Kleinen Atlad im nördlichen Afrika und bis 1832 berüchtigt als freche Seeräuber, gegen weldhe Kaifer Karl V. 1535 und 1541 berühmte Züge unternahm.

Allerriftlichfter König (M. St. V,6), ein Ehrentitel, welchen ber Papit Pius II. 1469 Ludwig XI. und in ihm allen fünftigen Königen Frankreichs beilegte, fr. le Roi Trös- Chre- tien, doch fol er ſchon feit Ludwig dem Diden vielfach gebräudh- lich gewejen fein.

Alp (W. T.1,4), Bezeihnung für die hohen Punkte des Alpengebtrged in der Schweiz.

Alpenjäger, Der (Ged.), ein Gebicht, welches wie das Berglied (vergl. d.) i. 3. 1804 neben bem Tell entjtanden ift und ſich auf eine in der Schweiz herrichende Volksſage bezieht, in welcher ein Berggeiit, bier „der Bergedalte”, ald Beſchützer ber Gemfen erjcheint, Statt Gemfe hat Sch. bier den Ausdruck Gazelle gewählt, eine Thiergattung, die den Gemſen nahe ver: wandt ift und mit ihnen zu dem Geſchlechte der Antilopen ges hört. Bei der Mutter hat ihm jedenfalld die ängstlich beforgte Hedwig (W. T. III, 1), bei dem Süngling eine Natur wie ber Tell vorgefchwebt, der von ſich jagt:

„Zum Hirten bat Natur mich nicht gebilbet; Raſtlos muß ih ein flüchtig Ziel verfolgen. Dann erft genieh’ ich meines Lebens recht, Wenn ich mir's jeden Tag auP& new’ erbeute.”

Alpheus (Sph. I, Zw.⸗H.), ein Hauptfluß im Peloponnes, ber bei Tegea in Arkadien entjpringt und nach zweimaligem Ber: ſchwinden unter der Erde durch Elis hindurch in's tonifche Meer geht. Diejed öftere Verſchwinden gab. zu der Sage von einem Flußgotte Alpheus Veranlaffung, welcher die Nymphe Arethuſa liebte und einſt verfolgte (ſ. d.). Die keuſche Nymphe (daher Iph. I. Zw.⸗H.: „die ruhmreiche Arethuſa“) floh, als aber Als pheus nicht abließ, flehte fie zur Artemis, welche fie in eine Wolle hüllte; und als auch diefe noch der Verfolgung audgefegt blieb,

Altarblatt Alter. 15

verwanbelte fie ſich in eine Quelle. Set nahm Alpheus feine Zinßgeftalt wieder an, um fi mit dem Waſſer der Arethufa zu vermiichen. Aber die unerbittliche Göttin verfegte fie nun nad der Injel Ortygia bei Sieilien. Doc auch hierhin verfolgte fie Alyten?, indem er fi unter dem Meere einen Weg bahnte unb als Duelle neben ihr zum Vorſchein fam. Seht Eonnte Arethuſa nicht länger widerftehen und geftattete der Duelle, fich mit ihrem Gewäfler zu vereinigen. Bon dem Zufammenhange beider Quel- len wird viel Wunderbares erzählt; fo fol eine zu Olympia in ben Alpheud geworfene Opferfchale in der Arethufa wieder zum Vorſchein gelommen fein, und letztere fol fi roth färben, wenn zu Olympia das Blut der geopferten Rinder in ben zu fliegt. Vergl. Bucentaur und Arethufa.

Altarblatt (Sftf. 233), der hintere, in bie a ge- bante Theil eines Altard, der meift mit einem Gemälde geziert ift. Man pflegt daher auch dieſes letztere felbft Altarblatt od. Altarfüd (Gftſ. 231) zu nennen.

Altdorf (Bft. 8. 7), füböftlih von Ninmberg; von 1576 1807 beftand dort eine Untverfität, welche Wallenftein 1599 bezog, auf der er fih aber nur durch Raufereien und Ausfchwei: fungen auszeichnete. ©. a. Altorf.

Altenglich Herz (M. St. I, 3), fo viel wie reblih, wader; mit Altengland Old England bezeichnen die Engländer gern ihr Vaterland, im Gegenſatze zu den fpäter hinzugekomme⸗ nen Theilen Wales, Schottland und Srland.

Alter, Die drei, der Natur (Ged.), ein Epigramm auß dem Sabre 1800. Das griechiſche Alterthum belebte die Natur durch einen Reihthum von Göttergeftalten, welche den treiben: den und bewegenden Hintergrund aller Erſcheinungen bildeten. . Später unterwarf bie Schule fie den Gefegen der Mathematif; da dieſe Betrachtungsweije jedoch ſich nur auf feelenlofe Kräfte fügte, jo Tormte diejelbe der Phantafie Teine Befriedigung ge: währen. Erft die vernünftige Betrachtung ber neueren Zeit, von der Sch. freilih nur die Morgenröthe gefchaut, bat auch

16 Altlandgamman Amalthea.

die Afthetiiche Betrachtung der Natur wieder in ihr volle Recht eingeſetzt.

Altlandamman, ſ. Amman.

altlombardiſch (Piccol. IT, 8). Die Piccolomini ftanımen nad Andern au Rom, von wo fie nad) Siena zogen. „Alt lombardiſch“ würde bebeuten, aus einem alten, in der Lombardei (d. 5. dem mittleren Theile Norditaliend) anfähigen Adelöge- Ishlesht.

Altorf oder Uri (VB. T. I, 3), die Hauptftadt des Can⸗ fond Uri an der Mündung der Reuß in den Vierwaldftätter See und am Fuße ded bewaldeten Bannberged (W. T. III, 3), Deffen Baumſtämme den Ort gegen Lawinen und Yeldftürze ſchützen. Tel’ ie ®efängnig wird hier noch gezeigt; eben fo erinnern zwei Brunnen an ihn; einer mit feinem Standbilde, angeblich an ber ‚Stelle, wo er den Apfelihuß gethban, der andere da, wo fein Knabe geftanden haben fol. Sn der Octavaudgabe fteht Alt- dorf (1. d.).

Altringer (Picc. I, 1) od. „Graf Altring” (Picc. V, 2) vertheidigte ald Tatjerlicher Oberft 1626 die Deffauer Brüde fieg reich gegen Mansfeld und gehörte ſpäter zu den dem Kaiſer be⸗ ſonders ergebenen Generalen.

Altvorderen (W. T. I, 2), |. v. w. Vorfahren, Väter; un: ſere Stelle fteht in Gr. d. W. nicht.

Alzellen (W. T. I, 1), ein Meiner Ort bei dem Dorfe Wol: fenſchießen im Engelberger Thal, etwa in der Mitte zwiſchen Stanz und Engelberg im Canton Unterwalbden.

Amalia (Ged.). Dieſes Gedicht bildet in den „Räubern“ ben Anfang des dritten Aufzuged. Der Süngling, an ben es gerichtet ift, tft Karl Moor.

Amalthen (Myoth.), einigen Dichtern zufolge eine Ziege, welche Zeus ald Knaben fäugte; nach anderen eine Nymphe, bie das Kind mit Ziegenmilch auferzog. Dieſe Ziege wurde von Zeus zum Lohn für ihre Ammendienfte unter die Sterne verfegt; vor: ber jedoch hatte er ihr ein Horn abgebrochen, welche er ben

Amathuͤnt Amethyſt. 17

Töchtern des Konigs Melifſus von Creta ſchenkte. Dies Horn (Ged. D. Spaziergang) hatte die Eigenſchaft, fi mit den zu füllen, wa3 der Befiser befielben wünſchte. Vergl. Yorkıma.

Amathunt

Amathüs ſ. Aphrodite.

Amathuſia

Amazone (PH. I, 1). Die Amazonen waren ein ſagenhaftes Eriegerifched Weibervolk am Zluffe Thermöton in der Heinafla- tifchen Landſchaft Kappadocien; bild!. Jedes beberzte, kriegeriſche Weib, bei. (Picc. IV, 5) auch Reiterinnen.

Ambra (Ged. Semele 1), eine graubraune, harzige Maſſe, Die beim Reiben einen Augerft angenehmen Geruch verbreitet. Sie erzeugt fib in den Eingeweiden ded Pottfifched, wird an den Kuüften Indiens vielfah vom Meere audgeworfen und war ſchon jeit den älteften Zeiten befannt.

Ambrofia (Ged. Semele 2), f. Homer SI. 5, 340. 777; 19, 38, 353; Od. 12, 63, war der Name der Götterjpeife, welche Den Himmliſchen ewige Sugend und Unfterblichkeit verlieh; daher ambroſiſch (Geb. Triumph d. Liebe. D. Spaziergang), |. v. a. göttlih, aber auch füß duftend, ein verfchönernded Beiwort, defien fi Homer häufig bedient; daher auch Ambrofiabüfte (R. 1, 3).

Amerika (K. u. L. II, 2). Zur Zeit, wo Sch. „Kabale und Liebe” fchrieb, vertheidigte Wafhington mit Frankreichs und Spa: ntend Hülfe die Freiheit Nordamerikas (1773 83) gegen bie englifchen Heere. Die Truppen, welche die empörten Amerikaner niederfämpfen follten, beftanden meift aus Geworbenen, ımter denen ſich auch viele Deutjche befanden, die damals von mehreren Landesherren, befonderd dem Kurfürften von Heffen, Friedrih IL, - auf ſchimpfliche Weiſe nach dem fernen Welttheil verfauft wurden. Der befannte deutſche Schriftfteller Seume, welcher auch zu den Berkauften gehörte, berichtet darüber Näheres.

Amethyſt (Dem. T), eine violett gefärbte Barietät bes Berg⸗ kryſtalls, Die ihrer Schönheit wegen nicht jelten als Schmudftein

L 2

1B Amienz Ampbion.

serwenbet wird. Im Altertbum trug man ihn ald Amulet gegeps die Trunkenheit, worauf fi auc fein Name bezieht.

Amiens (M. St. II, 2) in Zranfreih, Hauptort ber um Banal la Manche gelegenen Picarbie.

Ammann (W.T.I,2) oder Amman, [.v.w. Amtmann oder Schultheiß, d.h. der mit der Gerichtsbarkeit betraute Vor⸗ fteher eines Orte. Der Borfteher eined größeren Bezirks heißt Landamman (W. T. IL, 1); der ältefte unter diefen Aitlanb- amman (W. T. 1,2) °

Ammon (Geb. 4.3. d. Xen. 37), ein in Aegypten verehrter Gott, den bie Griechen als Zeus bezeichneten. Die Aegypter nannten ihn Amun und ftellten ihn mit Widderhörnern dar. Sein berühmtes Orakel Iag in einer Dafe ber libyſchen Wüfte, heute Stwah, weſtlich von Aegypten.

Ammonshorn (W. T. IV, 3), eine jept nur noch verfteinert vorkommende Schnedengattung, deren einzelne Arten von ber Größe einer Linje bi8 zu der eines Wagenradbed gefimden wer- ben. Ste haben die Geftalt eines Widderhornd (vergl. Ammon), befteben vorzugsweiſe aus Kalf oder Eiſenkies und finden ſich in faft allen Kalfgebirgen, in den Alpen bis zu einer Höhe von mehreren Taujend Fuß.

Amor

Ymoretten ſ. Eros.

Amorinen

Amphiaxous (Pbön.), berühmter Seher und Liebling ber Bötter; er nahın an dem Zuge der Sieben gegen Theben, als einer derjelben, Theil, wurde auf der Flucht mit feinem Streit . wagen non ber Erbe verichlungen, yon Zeus aber unſterhlich Umpbion (Bhön,), König in Theben, ein Sohn des In und der Antiope. Er war hochberühmt in der Kunft bes Sal tenſpiels, und der Sage nach ſollen fich Die zur Befeftigung Thebens verwendeten Steine durch die zauheriſchen Klänge feiner

Amphitrite Un ”". 19

RMelodieen von ſelbſt in Bewegung gefept haben. Vergl. Ge. D. Eleufiihe Feſt, Str. 22 u. H. d. 8. Amphitrite, eine Oceanide, die Gemahlin bes Pofeidon Reytum), dem fie den Triton gebar, welcher mit feinen Eltern wi dem Grunde des Meereß in einem goldenen Palafte wohnte, Bei ten Dichtern tft Amphitrite. (Bed. D. Antritt d. neuen Jahr⸗ hunderts) oft die Perlonification ded Meered. So au (Br. v. M. 418), wo Don Manuel bei der Beichreibung bed Schmudeß feiner Braut nichts vergefien haben will: „ud; wicht ber Perlen und Korallen Schmuck, Der Meeredgättin wunberfame Baben.” te. Ampsule (3. v. DO. IV, 6), von dem lat. ampulla, Flaſche; in der katholiſchen Kirche das Gefäß mit Dem gemeiheten Chrisma, d. 5. (griechiſch) dem bei der Taufe, der Firmelung, den Krönumgdfeierlichkeiten 20. gebrauchten Salbdl. Die tn ber Sunmgafrau erwähnte Ampulla foll bei der Taufe des Franken⸗ kõnigs Chlodwig (+ 510) vom Himmel gefendet worden fein. In der Revolutiondzeit verloren gegangen, wurbe fie behufs der Krö- nung Karls X. (1824—1830) glüdlich wiedergefunden.

Uuulet (Sftj. 10, 146), aus dem Arab., ein mit Fi⸗ guren oder einer Sufchrift verfehener Körper, gew. von Stein oder Metall, der von abergläubtichen Leuten am Halfe oder jonft ams Leibe getragen wird, und ber wor Zauberei und Krankheiten ſchũtzen ſoll.

Yu ** (Ged.), drei Epigramme and dem Jahre 1798, bie vermuthlich an beftimmte Perfonen gerichtet waren, indefien zu⸗ gleich allgemeine Wahrheiten enthalten. Daß erfte follte fi

(nad Boas) wohl auf den etwas zubringlihen Karl Auguft Böttiger beziehen, einen der kenntnißreichften Archäologen jener Zeit, deſſen Gelehrſamkeit Sc. u. &. bisweilen in Anſpruch nahmen. Webrigend erimert ed zugleih an: „Unterjchieb ber Stände” und „bad Werthe und Würdige“ (ſ. d.) Das zweite Im an Wieland, vielleicht auch (mach Biehoff) an ben durch 2%

20 Anaͤkreon Angelitern.

feine „beutjche Proſodie“ umd andere Schriften befannten K. Ph. Moritz gerichtet fein, mit denen e8 Sch. umgelehrt ging, indem der Umgang mit ben betreffenden Perfonen an fi ihm werth- voller war als ihr pofitived Wiflen. Dad dritte ift jeden. falls an Goethe gerichtet, deſſen objective Geiftesrichting auf den vorwiegend fpeculativen Dichter einen höchft anregenden Ein: fluß ausübte.

Anakreon (Sp. u. d. L.), um 500 v. Chr. ein griechifcher Lyriker, deffen Charakter unjere Stelle ungefähr andeutet. Wir beftgen unter feinem Namen eine Sammlung anmuthiger Liebes: und Trinflieder, die von K. Uſchner (Berlin bei Schneider) über: tragen worden find.

Anchiſes (Geb. 2. B. d. Aen. 53), der Vater des troja- nifchen Helden Aeneas, der ihm von der Göttin Aphrodite (Venus) geboren worden war (Homer, 31.20, 215), aus einem alten tro: janifchen Königsgeſchlechte, hütete die Rinderheerden feines Vaters an dem Berge Ida, wo ihn Venus mit ihrer Liebe beglüdte und ihm den Aeneas gebar. Lange Zeit hatte Anchiſes von der Gunft ber Göttin gejchwiegen, biß er einft, vom Weine erhigt, fich doch derjelben rühmte. Da eilte Venus Magend zum Zupiter, welcher (Sed. 2.32. d. Yen. 110) den Donnerkeil nad ihm fchleuderte, um ihn zu tödten. Indeſſen fiel fie Dem Zürnenden noch zeitig genug in ben Arm, fo daß Anchifed nur gelähmt wurde.

Andove (F. V, 6), gew. Anfchont, ein Fleiner, zum ®e- ſchlecht der Häringe gehöriger Fiſch, der beſonders an dem Ita- lieniſchen und franzöſiſchen Küſten vorfommt und wie bie Sar- belle gegeflen wird.

Undrögess (Ged. 2.8. d. Aen. 66), auch ein Sohn bes Minos, hier ein beliebig gewählter Name, |. Acamas.

Andromade, |. Hektor.

St. Ange (Mith.), ſ. Malta,

Angelftern (D. €. V, 10), ber nörblihe Bolarftern, um welchen ber ganze Yirfternhimmel in 24 Stunden feine fcheinbare Drehung vollendet, während er jelber unbeweglich den Norbpol

Anjon Untigone. 21

des Himmels bezeichnet. Aftronomifch ftreng genommen fteht ber Polarſtern übrigens nicht in dem Nordpol, fondern nur in der Nähe defielben. Vergl. Bol.

Anjou, Herzog von (M. St. I, 6; II, 9). Der Herzog um Anjou (bei Sch. franz. Düc von Anjou), welcher feinen Titel nach der franzöftichen Provinz defielben Namens führt, tft Franz, Bruder Heinrich's III., des legten der Könige aus bem Haufe Baloid (1328 1589). Als die Holländer ihn beriefen; am ihm die Leitung ihres Widerftandeß gegen den König Bhl- lipp IL von Spanien anzuvertrauen, weldyen fie für abgejegt er: klaͤrt hatten, ging er zuvor nach England, da er ſich fchon fett 1573 um Elifabeth’8 Hand bewarb. Sie übergab ihm einen Ring als Pfand ihrer Verfprehungen und unterzeichnete fogar einen Ehevertrag. Er ftarb aber bereits 1583.

Anna (Ged. 4.2. d. Xen. 4), bie Schwefter der Königin Dido von Karthago. Anna v. Boulen, ſ. Heinrih VIIL u. Elifabeth.

Antecämera (Bicc. I, 2), od. fr. Antichambre (K. u. L. I, 6), dad Borzimmer. Sch. wählt die fpanifche Form, weil am Hofe zu Wien die ſpaniſche Etikette galt. Bekanntlich ftammten von Karl V. und jeinem Bruder Ferdinand I. die beiden Häu: fer Habsburg ab, welde in Deftrei noch jept (freilich indem 1740 der Mannsflamm mit Karl VI. ausftarb und Maria The: refta den früheren Herzog von Lothringen heirathete), in Spa: nien bis 1700 regierten.

Antibaptiften (Bft. 2. 8), ein von Sch. gebilbetes Fremd: wort, f. v. w. Leute, die nicht? von der Taufe halten.

Antichambre, |. Antecamera.

Antigone (Phön.), die berühmte Tochter des Oedipus. Die Gefchichte dieſes Fürften und feiner Familie erzählt im An- fang der „Scenen aus ben Phönizierinnen” Sofafta felbft voll- fändig. Sophofled hat fie in bem „König Oedipus“, dem „De: dipus in Kolönos” und endlich in ber „Antigone” (überf. von

22 Antite Antinome.

Dernmer u. X.) verherrlich. „Antigone” tft noch heute eine Jierbe der deutichen Bühnen, beſonders berjenigen Berlins.

Antike, Die, an den nordifhen Wanderer (Geb). Die frühere Weberfchrift dieſes Epigramms aus dem Sabre 1795 lau⸗ tete: „Die Antile an einen Wanderer aus dem Norden‘. W. w. Humboldt rühmt au dem Gedichte „den ernften ſcheltenden Son, der eine große Wirkung hervorbringt”. Der Grundgedande ift der, Daß der büftere Charakter unjerer nordiſchen Natur im Bergleich mit dem lachenden Himmel Staliend, und bemnächht unſere durch die Entfernung von den Elaffifchen Ländern hervor⸗ gerufene Anjchauungd: und Denkweiſe und die veine Auffaffung autiker Kunftwerke, wie ded klaſſiſchen Getftes überhaupt, in hoben Grade erfchweren muß.

Antiten, Die, zu Paris (Ged.), ein Gedicht ans dem Jahre 1803, welches feinem Inhalte nad) mit dem vorigen verwandt ijt, feiner metrifchen Form nad an „die deutfche Mufe” (ſ. d.) erinnert. Durch Goethe's Intereſſe für die bildende Kunft war auch Sch. zeitweife für diefelbe gewonnen worden, und jo ergoß fih denn fein Zorn in diefe Strophen, als die franzöſiſchen Re- publifaner bei ihrem flegreihen Vordringen in die Haffifchen Län; der eine Menge von Kunftichägen raubten, um diejelben in Paris aufzuftellen. Er tadelt diefen Vandalismus, der keinen anderen Zweck bat, als einer oberflächlichen Eitelkeit zu dienen, und ver: fünbet prophetiſch, was der Erfolg gelehrt, daß der Anblid der Schätze bed Alterthums feine tiefere Einwirkung auf die Ent: widelung des Kunftfinned der Franzoſen auszuüben im Stanbe fein würde.

Antinous, ein ſchöner Züngling, welchen Katfer Hadrian aud Bithynien (in Kleinaflen) mitgebracht hatte und Den er jo liebte, daß er ihn beftänbig um fich haben mußte. Aber Lebens⸗ überdruß, oder ber Wahn, baf fein Tod für dad Wohl des Kat ferd unumgänglich nothwenbig fe, veranlaßten den Süngling, fih in den RU zu flürzen Don übermäßigem Schmerze er- griffen, widmete Hadrian feinem Liebling eine wahrhaft göttliche

Antiope Antritt. 5)

Verehrung. Sr benannte ein Sternbild in der Nähe ber Mlch⸗ ftuße (zwifchen Adler, Steinbod und Schüge) mit feinem Na- wen, Tieß ihn Bildſäulen ımb Altäre errichten, erbaute ihm einen Tempel zu Mantinea in Arkadien und orimete, ihm zu Ehren, Wahrlich wiederlehrende feierfiche Spiefe an. So wurde An⸗ Unons ein Gegenſtand göttlier Verehrung, und es mar allge⸗ urein Sitte geworden, fein Bildniß in Häufern und Gärten otfzuftellen, nicht ſelken mit den Attributen des Bacchus her: ſehen. Beſonders wird eine Darflellung des Antinvus im Ba: Hl geprieſen. Die großen melancholiſch blickenden Augen, ber fett und zierlich geichnfttene Nend, das außerordentlich ſanfte Brofit in Verbindung mit bem edelgefürntten Körper find ein Be- weis von gründlidem und verftaͤndigem Studium der menſch⸗ lichen Geftalt, und führen zugleich einen neuen Typus in die gröechiſche Kunft ein; daher Heißt ed von Fiesco (%. 1, 1) „ein blühender Apoll, verſchmolzen in den männlich fchönen An⸗ tittousꝰ; dad Beiwort „maͤnnlich“ Monte die Bermuthung be- gründen, Sch. Babe an ben Antinons ber Odyſſee gedacht. "

Antiope (Ph. I, 1), die Schweiter ber Amazonenkoͤnigin Hippölyta; fie war bei ber Beflegung der Amazonen (ſ. d.) ge: fangen genommen worden und ward dem Thefeus zu Theil, dem fie den Hippolytus gebar. Die Amagonen verbauden fich mit. den Scythen und rüdien gegen Attica vor. In dem nun fol: geuden Kampfe ftarb Antiope, an der Seite ihres Gatten muth⸗ vol kämpfend, den Heldentod.

Antipathie, Deine (Ged.) ein Eyplgramm aus dem Zahre 1796. 68 enthält eine erhabene Anforderung an das Menſchen⸗ geſchlecht, dem bei fortichreitenber Eniwidelung bie fittliche Dent: nad Handiungsweije zur andern Natur werben fol.

Autiſtrophe, |. Strophe.

Antritt, Der, des neuen Jahrhunderts (Ged.). Als das Jahr 1800 zu Ende ging, fahte Sch, im Vereine mit Goethe und dem durch feine „Blüthen griechifcher Dichter”, jo wie durch

24 Antritt.

mehrere Diufenalmanache befannten Leo v. Sedendorf (geb. 1773, + 1809) den Plan, den Anfang bes neuen Zahrbundertd mit einer Reihe von Yeftlichkeiten zu begrüßen, um ihr liebed Wei— mar ein wenig in Bewegung zu bringen. Indeſſen ließ es ber - Ernft der damaligen politiichen Verhältniffe, jo wie die innere Berrifienheit der Gemüther zu feiner freubigen Stimmung kom— men. So gehört denn dieſes Gedicht nicht dem Anfange des Sahred 1801 an; fondern ed fit, wie aus einem Briefe Sch. an Goethe erhellt, erft um die Mitte ded Juni entitanden, und die leicht falfch zu deutende Ueberſchrift erft ſpäter hinzugefügt worden. &3 enthält eine Schilderung der damaligen bewegten Zeit, erinnert an die Kämpfe, die im Sahre 1800 in Stalien und Deutichland ftattfanden, und an den nach dem Frieben von Lüneville noch fortbeftehenden Krieg zwiichen England und Frank: reih. Str. 1, B.4 erinnert an die Ermordung des rufftichen Katferd PaulI am 23. März 1801; Str. 2 an den Zufammen- fturz vieler Staatengebäude, auf deren Trünmern neue Repu⸗ bliten errichtet wurden; ferner an dad Abtreten des linken Rhein- uferd an Frankreich, fo wie an den Kampf der Engländer gegen die FSranzofen um Aegypten, welches im Sabre 1802 dem Sul: tan zurüdgegeben wurde. Str. 4 weift auf den Gallierkönig Brennud hin, der ben römiſchen Gefandten die Antwort gab: „Wir tragen das Recht auf ber Spitze des Schwerted, und tapfe: ren Männern gehört Alles“. Als derjelbe im J. 389 v. Chr. Rom zeritörte und nur das Capitol ſich noch hielt, verpflichteten fih die Gallier, gegen 1000 Pfund Gold wieder abzuziehen. Die Forderung ward bewilligt, indeß wog Brennus baffelbe auf falicher Wage nach, und als die Römer ſich befchwerten, warf er trogig fein Schwert zu den Gewichten mit dem Ausruf: „Wehe den Befiegten!“ Indeſſen war Camillus zum Dictator ernannt worden und erſchien zu rechter Zeit mit feinem Heere, um ben Vergleich für nichtig zu erflären. Es kam zum Kampfe, und feiner der Gallier erreichte fein Vaterland wieder. Der „Franke“ wird er genannt, weil man Bie alten Gallier, die früheren Bewohner

Apanage Aphrodite. 25

Frankreich, gleich den Franken, auch ald Borfahren der Franzoſen anzujeben pflegt. Das Paradies (Str. 6), dad von dem Brit ˖ ten ımentdedt bleibt, ift in der Schlußftrophe gefchilbert.

Apanage (Gftj. 128), dad Leibgedinge, nämlid die Ab- ſindung der jüngeren fürftlihen Kinder mit Gütern oder an deren Einkünften, aus denen fle ihren ftandeögemäßen Unterhalt beftreiten können.

Apenninen (Ged. D. berühmte Frau), dad Gebirge, wel: ches Stalien von N. nad ©. durchzieht.

Aphrodite (Myth.), bei den Römern Venus. Der grie chiſche Name bedeutet die Schaumgeborene, denn fie war aus dem Schaume des Meered aufgetaucht, von wo fie auf einer See: mufchel zuerft auf der Inſel Cythere (f. u.), fpäter auf Eypern Iandete; daher wird fie (Br. v. M. 420): „Die gefällige Tochter tes Schaumd” genannt; ferner heißt ed (Geb. D. Triumph d. Wiebe):

„Und fieh! der blauen Fluth entquillt Die Himmelstochter fanft und mild, Getragen von Rajaden Zu trunkenen Geftaben.“

Nach Homer (SI. 5, 370) ift fie eine Tochter des Zeud und der Meergötiin Dione (Ged. Die Blumen), nach welcher fie felbft bisweilen Dione (Iph. II, Zw.⸗H.) genannt wird. Außerdem führt fie noch viele andere Beinamen. Nach der Stadt Amathus od. Amathunt (Ged. D. Sätter Griechenlands) auf der Süp- tüfte von Cypern, wo fie am eifrigften verehrt ward, beißt fie Amathuſia (ebendaf.), nach der Inſel jelbft Cypria (Geb. 4.2. d. Xen. 17). Der fübli von dem Peloponned gelegenen Spiel Cythera (jept Serigo) verdankt fie den Namen Cythere (Se. D. Götter Griechenlands). Das Vorgebirge Idalium auf Cypern, wo ihr ein Hain nebft einem Tempel gewidmet war, ift die Beranlafiung zu dem Namen Idalia (Geb. 4.2. d. Aen. 19) geworben, und endlich wird fie, on einer der Muſen, oft auch Urania (Ged. D. Künftler), d. 5. die Himmliſche genannt. Sie war bie Gattin des Bulfan (\. Hephaͤftos); gebar

26 Aphrodite.

indeſſen dem Mars den Eros (Geb. Poeſie des Lebens) ib dem Anchiſes den Aeneas (4. B. d. Aen. 67). Dem griechiſchen Vollsglauben zufolge, wie auch bei ben

Dichtern, ift Aphrodite zunächft die Göttin der Liebe, welche Das

Gefühl derjelben in allen Wefen erwedt; daher Hagt Juno (ed. Semele 1), zu fich jelbft ſprechend: „Wehe, Deinen Stolz zu beugen, Mupte Venus aus dem Schaume fleigen. Götter betbörte, Menſchen und Götter ihr zaubriſcher Bid.” Natürlich begünftigt fie Dann auch die Liebenden und tft ihnen Hülfreich, wie (Geb. Das Eleufiſche Zeit): „Benus mit dem Kolben Knaben Schmüdet felbft das erfte Baar.” Sa, in dem ganzen Gebiete der Natur fteht die Zuneigung Der verjehiedenen Geſchlechter unter ihrem Schuge, weshalb ed (Gew. D. Blumen) von den Blumen heißt: Gaukelnde Sylphiben ſchwingen Buhlend fi auf mem Schoohß! Wolbte eured Kelches Krone Nicht die Tochter der Dione Schwellend zu der Liebe BFEBTY" AS Beherricherin des Reichs der Liebe wird fie in entſprechen⸗ den Fällen um Hülfe angerufen. So heißt ed (Geb. Hero m. Leander): z „Und fie fleht zur Aphrodite, Daß fie dem Orkan gebiete." Wer ſich indeß ihrer Herrichaft zu entziehen fuchte, det hatte ihre Rache zu fürchten, daher fagt Theramen (Ph. I, 1) zu dem fragen Htppolyt: „So lang’ von bir verachtet, Hätte VBenns Ded Vaters Ehre nun an bir gerät?”

Außer ihrer Eigenfchaft als Göttin ber Liebe ift Aphrodite auch bie Göttin der Schönheit und Anmuth, und darum trägt fie den Gürtel (f. d. und Homer Il. 14, 214), welcher Liebe, ſchmachtendes Verlangen, fanfte Schmeichelei und zärtliches Ge⸗ ſpraͤch in fi) vereint. Da fie in dem Kampfe um ben Preis

Ayıdanıd Apollon. 3

der Schönheit (Iph. I, Zw.:5.) den Sieg davon tung (vergl. Erid), fo wird fie (Geb. 4. B. d. Aen. 19) „ber Schoͤnheit Ko sign” genaunt.

Einige Male braucht Sch. Ihren Namen uch DIE, and zwar nmächft für Liebe, wie (Geb. 4.3. d. Aen. 6), wo Anna zu ihrer Schwefter Dido jagt:

„Binf du Die Bonne, vie aud holden Kindern lacht, Der Bent fühe Freuden bir verſagen de Dom aber ift fie ihm auch daB Symbol der Gchönbelt, De zu⸗ nähft den Gedanken wedt, wie (Geb. D. Künftler): „Und der hinſchmelzende Gedanke flieht Sth ſtikl an die allgegemwärtige Eythere,*" außerbem aber in ftet3 welterjchreitender Fortentwickelung ben Menſchen zur Wahrheit, „zur bimmlifchen Urania” führt, wie’ (ebenbaf ‚Sie ſelbſt, die fanfte Cypria, Umleuchtet von der Beserfzone, Steht dann wor ihrem münb'gen Sohne Eutjchleiert ald Urania” Da die Venus den Alten dad Ideal weiblider Schönhelt war, fo wurde fie von Künftlern (R. V, 1. Gftf. 238) fehr Häu- fig dargeftellt; eine der berühmteſten unter den antifen Dar- Bellungen ift die mebdicetiche oder die von Florenz (%. II, 5).

Apidanus (Iph. III, 4), ein Fluß in Theffalien.

Apollon (Diyth.), lat. Apollo, mit dem Beinamen Phö- Und, der Sohn des Zens und der Latona, wurde mit feiner Zuiliingichweiter Arteınid auf der Infel Delod geboren. Ben Themis mit Ambrofia und Nektar genährt, warb des Knaben Körper bald mit wunderbarer Kraft erfüllt, die fich zuerft gegen ben Drachen Pytho wendete, der einft auf Sunos Geheiß jeine Mutter überall verfolgt hatte. Am Berge Partnaffus traf er ihn und da derſelbe ihn hindern wollte, das Orabel zu Delphi im Befitz zu nehmen, vermittelt deſfſen Apollo den Renſchen den Biillen des Zend zu verkünden beabfiäjtigte, fo erlegte er dab

28 Apollon.

Untbier, weshalb er (Ged. D. Glück) „der pythiſche Steger” und (Ged. Kaflandra) „pythiſcher Gott” genannt wird. Da Apollo für die Liebe fehr empfänglich war, jo weiß die Mythe von manchen Nympben und Töchtern ber Erdgeborenen zu er- zählen, auf welche fich die Stelle (Ged. D. Götter Griechenlands) bezieht: Pyrrha's ſchöne Zöchter zu beflegen, Nahm der Leto Sohn ben Hirtenftab.” Apollon gehört zu den zwölf großen Göttern der Griechen und Römer und vereinigt in ſich eine große Anzahl religiöfer Vor⸗ ftellungen. Al Sonnengott (Phön.) fährt er mit dem von vier braufenden weißen Rofjen gezogenen Sonnenwagen (Geb. D. Triumph d. Uebe) von Meer zu Meer und giebt der Welt den Tag; daher (Sp. I, 1): A „Schon fürbt die lichte Morgenröthe

Den Himmel weiß, und flanımenwerfend fteigen

Der Sonne Räder ſchon herauf.” weshalb auch (Bed. An Goethe) von dem „bewegten Rad der Zeit” die Rede iſt; desgl. (Br. v. M. 418):

„Lichtweiß, gleihwie bed Sonnengotted Pferde" und (Geb. Hero u. Leander):

„Sıh hinab die Sonnenroſſe Sliehen an bed Himmel! Rand.”

In diefer Eigenichaft wird fein Name oft gleichbedeutend mit Helio3 (f. d.) gebraudht, fo wie ihm deshalb auch der Bei: name Phöbus (Ged. D. Abend. Phön.), d. 5. wohl der Slänzende, gegeben wird. Al ftrafender und ver: derbender Gott ift er mit Bogen und Pfeilen bewaffnet; baber (3.0. D.I,4) Sorel’8 Worte:

„Den zarten Leib dem glüh’nden Pfeil ber Sonne

Preis gegeben.” Deshalb bezeichnet ihn bie Mythe auch als Urheber ber durch die Hitze entftandenen Peſt und läßt ihn die Menſchen ſchaaren⸗ weile mit feinen Gefchoflen erlegen (Homer, 31. I, 43). Yerner ift er der Gott des Geſanges und ded Saitenfpteld, ber

Apollon. 29

bei ben Göttermahlen die von ihm erfundene Either ſpielt; da⸗ ber (Ged. D. Eleuflihe Felt): „Aber aus den gold'nen Satten Lodt Apoll die Harmonie Und das bolde Maß der Zeiten Und die Macht der Melodie.” Auch Einzelne unter den Sterblidden erwählt er zu feinen Lieb- Iingen und beglüdt fie mit feiner Kunft, wie Ibykus, von dem es (Ged. D. Kraniche d. 3b.) heißt: „Sum ſchenkte des Geſanges Babe, Der Lieder füßen Rund Apoll.“ Ueberhaupt ift es eine jeiner angenehmften Aufgaben, die Men: ſchen dur Muſik zum Guten und Rechten zu führen; weshalb Zeus (Geb. Semele 2) von ihm jagt: „Apollo ſelbſt geftand, ed ſei Gutzüden, Menſch unter Menichen fein.” Endlich ift er ald Gott des Lichted auch der Gott ber Weiſ— fagung und Dichtung, wie (Geb. 4.2. d. Xen. 11): «BhöHns, der dad Kunftige enthüllt“, weshalb Semele (Geb. Semele 1) unmittelbar nach Juno's Pro: phezeihung mit Beziehung auf die Priefterin, welche zu Delphi die Orakelſprũche ertheilte, in den Audruf ausbricht: Ppthial Apollo!” In dieſer Eigenſchaft verleiht er auch den Menſchen vie Sabe, in die Zukunft zu fchauen (vergl. Kaflandra), über: Haupt dad Wahre und Schöne zu erkennen. Zugleich ift er (Iph. IV, Zw.⸗H.) der Chorführer der Mufen (f. d.) und als folder (ed. Dithyrambe) das Sinnbild Dichterifcher Begeifte: rung, weöhalb audy der Pegaſus (Geb. Peg. im Joche) „Phöbus ſtolzes Roß“ genannt wird. Ebenſo ift er der Inhaber ver ſchiedener Orafel; daher (Ged. 4.3. d. Aen. 64): „Segt Heißt Apoll's Drafel nad dem Strand Des herrlichen Italiens mich eilen“ und (Ged. 2. Bd. d. Xen. 42): „Apoll's Orakel ſpricht Weiffagend aus Kaffandren's Munde”,

80 Apollonius von Tyana Apoftel.

Er beſchützt Die Trojaner, weshalb auch das trojaniſche Gebiet (Iph. III, 3m.:9.) „Phöbos heilige Erde” genannt werd. Da ibm bier zu Thymbra ein Tempel errichtet war, fo heißt er (Geb. Kaflandra) auch der Thymbrier. Die Künftler ftellen den Apollo als eine jchöne, jugendlih blühende Männergeftalt dar, weshalb fein Name bisweilen auch bildlich gebraudht wid, wie (3.1,1): „ein blühender Apoll“.

Apollonius von Zyana (Gftſ. 165), ein etwa 50n, Ehr. lebender Anhänger der pythagoräifchen Philofophie, wie die ſpä⸗ tere Zeit fie mit orientaliichen und neuplatoniſchen Ideen miſchte, der von den Heiden ald Wunderthäter gepriejen und gewifler- maßen Chriftuß entgegengeftellt wurde. Sein Leben tft von dem Sriehen Philoftratus, 200 n. Chr., mehr romanhaft freilih als geichtchtlich, beichrieben worden; dennoch ift dad Buch ein höchft merfwürbiged Denkmal des damaligen Zeitgeiſtes, in welchem griechiſche und orientaltiche Religionsvorſtellungen fich zum felt- famjten Aberglauben verbanden. Es gehört fo recht in den Geifterjeber und in dad 18. Sahrhundert, in welchem in ber Stadt der Aufflärung (Paris) ein Mesmer jeine magnetifchen Künfte treiben durfte. Das fehr leſenswerthe Bud tft von Fr. Jacobs, Stuttgart 1828, i. D. überſetzt.

Apaſtel, wörtl. ein Geſandter, Bote; bei. Die Jünger Sefu al8 Verkündiger des Evangelium. Mit dem Apoftel ber Stelle (M. St. V, 7):

„Wie den Apoſtel einft Der Engel führte aus des Kerferd Banden“ .

tft Petrus gemeint, welcher (Apoftelgefch. 12, 1—10) von Herobes ins Gefängniß geworfen, durch einen Engel wunderbar befreit wurde. Bildl. ift Apoftel ein Menfch, zu dem man unbeding- tes Vertrauen bat, wie (Gſtſ. 172): „tn Kurzem war ich ber angebetete Apoftel des Hauſes“. Eben fo tft die Stelle (Ged. Elegie auf d. Tod e. Sünglingd): Es mögen „Gauner durch Apoftelmasken ſchielen“ eine biblifche Ausdrucksweiſe, die an den „Wolf im Schafskleide“ (Matth. 7,15) erinnert.

Appiuß Slaubied Arabier. 5

Uypins Elaubius (%.1, 13), ein patricijcher Decerwir, dem ® 450 v. hr. gelang, die Wahl der übrigen Decemvirn nach finem Willen zu Ieuen, fo Daß er glaubte, mit bieten, ſeinen Seſchẽ pfen, eine unumſchräukte Herrſchaft aufrichten zu Tünuen. Vach geishebener Wahl feat er mit feinen Planen hervor und eulasibte Hch ungefchent die frevelhafteſſe Willler; aber eine unüberlegte That, die Frucht einer blinden Leidenfchaft, führte jeinen Sturz herbei. U. EL ftelte einem ſchoönen Mädchen, Namens Birginia (F. II, 17), ber Tochter des Plebejers Bir ginius nach. Als er mehrere vergebliche Verſuche gemadt, das Mädchen zu verloden oder ihre Wärterin zu beftechen, ließ er fe durch einen feiner Glienten, Namens Claudius, mit Gewalt ergreifen, unter dein Borgeben, Birginia ſei die Tochter einer Sclavin des Claudius und dem Birginiud von befien finder: loſer Sattin untergefhoben. Allen Zeugnifien zum Trotz ſprach 4. El. dur Richterſpruch feinem Clienten dad Mäbchen zu, und zwar in Gegenwart ihres Vaters. Diefer, in Verzweiflung, bittet um bie Erlaubniß, feiner Tochter noch ein Wort fagen zu därfen, und mit den Worten: „Seh frei und rein, Virginia, zu Deiner Mutter und zu Deinen Vorfahren" ftößt er ihr ein Mefier in die Bruft. Der Anblid des Leichnams entflammte Dad Boll zur Rache und Yatte den Sturz des A. CL zur Folge, der Fich übrigens im &efängnifie ſelbſt den Tod gab. Be Yanutlich hat auch Leſſing dieſe Thatſache bewugt, um in feiner „Emilia Salotti” die Ermordung derielben durch ihren Vater su arllaͤnen

Arabien, die ſuũdweſtlichſſe Halbinjel von Aflen, ift belannt aid das Baterland wohlriechender Gewächle, wie des Myrrhen⸗, des Veihrauchbauunes u. a.; Daher (Meb. V, 1):

„Monbiend Böohigerühe alle Berfüßen diefe Heine Hand nicht mehr.‘

Srabier, einen fternlundigen (Br. v. M. 456). Be Ianttich waren es bie Araber, welche, nachdem das Unglüd der Zeiten Jahrhunderte lang alle wiflenfchaftlicden Beihäftigungen

32 arachneiih Arche.

in Europa zurüdgebrängt, wieder einige Aufflärung itber Die

gejegmäßigen Bewegungen am geftirnten Himmel verbreite

ten. Befonderd unter dem Kalifen Almanfor (754 n. Chr.) unb feinen Nachfolgern wurde die Aftrorromie wieder gepflegt, umb

Namen, wie Thabeth ben Korrah, Alfargant, Abulwefa, Aver-

roed und Abulfeda machten in ber Gefchichte der Aftronomie

Epoche.

arachnéeiſch, wörtl. fpinnenartig, von dem gr. arachne, bie Spinne; im bildl. Sinne, wie (ed. Phantafte an Laura) ſ. v. w. tunftvoll.

Aranjuez (©. ©. 1,1), ein am Tajo, öftlih von Toledo gelegenes Städtchen nebft einem von Philipp IL. erbauten Luft⸗ ſchloſſe mit köſtlichen Gärten in einem der reizendften Thäler von Neu-Baftilien.

Arbeiter, der gelehrte (Geb.), ein Epigramm aus dem Sahre 1796. Eigentlich gelehrte Studien find ftet3 eine faure Arbeit, die nur geringen Genuß gewährt; erft wenn bie Reſul⸗ tate der Wiſſenſchaft in fchönem Gewande erjcheinen, werben fie genteßbar und weiteren Kreifen zugänglich.

Arbela, |. Alerander Magnus.

Achangel (Dem. II, 1), an der Mündung der Dwina, Ruß: lands ältefte Seeftadt. Sie wurde um 1584 gegründet und nad einem, dem Erzengel (Archängelus) Michael gewidmeten Klofter benannt.

Arche. Die Stelle (Wit. 8. 8): „Die Arche der Kirche ſchwimmt im Blute” ift eine Anfpielung auf die Are Noahs,

. welche zur Zeit der Sündfluth allein Rettung gewährte, gleich: wie vom katholiſchen Standpunkte aud aud die römiſche Kirche als die allein jeligmachende angejehen wird. Andererſeits ift es vielleicht auch eine Anjpielung auf die Bundeslade (arca foederis) ber Siraeliten, die, gleichfalls öfter den Gefahren des Krieges ausgeſetzt, eine Zeit lang fogar (I. Samuel, Cap. 4—6) in ber Gewalt der Philifter war.

Archimedes Ardenmnerwald. 83

und fein Schuler (Ged.). Ardgimebeß, einer der berähmteften Mathematiker unb Phyſiler des Alterihums, wurde 287 v. Chr. zu Syrakus geboren. Er bat feine beiden Lieblingswiſſenſchaften mit einer Menge Höhft wichtiger Ent: dediuungen bereichert. Als im 2ten puniſchen Kriege ſeine Vater: Ttabt von den Römern unter Anführung des Conſuls Marecellus (212 v. &br.) belagert wurde, vertheidigte er diejelbe mittelft finn- reicher Krieggmafchinen. Indeſſen wurden die Römer durch Ueber: rumpelung Sieger, und Archimedes jelbft büßte bei der Erſtür⸗ mung fein Leben ein. Der Sage nach erfchlug ihn ein römifcher Solbat in feinem Zimmer, wo er damit beichäftigt war, mathe⸗ matiſche Figuren in den Sand zu zeichnen. Auf die Worte, bie er dem rohen Krieger zurief: „Zertritt mir meine Cirkel riati- bezieht ſich die Stelle (Wfl. X. IV, 8): Gerechnet bat er fort und fort, und enblidh Wird doch der Calcul irrig ſein; er wirb Sein Lehen ſelbſt hineingerechnet Haben, Wie jener bort in feinem Cirkel fallen.” —., Das oben genannte Epigramm ſtammt aus dem Jahre 1795. Der Grundgedanke, welchen der: Dichter dem Archimedes in ben Mund legt, ift der: Wir follen Kunft und Wiffenfchaft um ihrer ſelbſt, nicht aber um eines äußeren Nubend willen treiben; wo ftatt ber idealen Richtung das Nüutzlichkeitsprincip vorwaltet, da gebt das rein humane Intereſſe verloren. (Vergl. Wiſſenſchaft.) Architectur (Br. v. M. Einl. 378) ober Baukuufl. Sie wirb nad) den Gegenftänden, womit fie fi) beſchaͤftigt, in bürger- Ude, Kriegs, Schiff, Mühlen-, Brüden-, Straßen:Baufunft ꝛc. eingetheilt. Mit den Attributen, welche der Dichter der perſo⸗ nifichten Baukunſt (9. d. 8.) beilegt, der Mauerkrone und dem Schiff, deutet er auf diefenigen Erjcheinungen bin, weldhe Peters. burg vorzugsweiſe charakteriftren. Kress (O. C. V, 9), Stadt in der ſpaniſchen Provinz Cadiz. Ardennerwalb (J. v. O. V, 8) od. die Ardennen, ein rauhes, fit bewaldetes, kohlenreiches Bergland tm norddſtlichen Frank⸗ reich, wo es fich von ber Moſel bis zur Maas hinzieht. L 8

3 Ares Argus.

res (Myth. Iph. I, gw..H.), dei ben Römern Mars, ein Sohn des Supiter und der Juno, war ber Gott des Kriegeß und das Stunbild der ungeftümen, rohen Tapferkeit, daher heißt er (Sp. IH, Zw.-$.): „Der ffrchterliche Bott ber Säladten”. Gleichnißweiſe fagt Wallenften (Bft. Z. IL, 13) von fi:

Mein Name Ging wie ein Kriegsgott durch die Welt”,

und (Br. v. M. 6.421) heißt e: „Denn die Jagd ift ein Gleichniß ber Schlachten, Des ernften Krtiegdgotts luſtige Braut.“ Bildl. |. v. w. Kriegsſsheer, wie (Iph. I, 1): „su Anlis Verſammelt AH ein fürchterlicher Mars”, od. Streittraft, wie (Spb. I, Bwß.):

„Der Urgiver Mar

and) friegerifche Begeifterung, wie (Phön.): „Dem flägt ber kalydon'ſche Mars im Bufen.”

Auf Münzen, wie auf den Schlußfteinen von Triumphboͤgen er- Hurt man den Mars oft mit Trophäen auf der Schulter umb mit der Lanze in der Hand fortfehreitend; daher auch (J. v. O. I, 5) „der Stegesgott.

Arethuſa (Iph. I, 8w. O.), eine Duelle auf der Inſel Naſob od. Ortygia bei Syrakus, der Sage nach urſprünglich eine Duell nymphe in SB. Vergl. Alphens.

Argeier (Geb. 2.3. d. Yen. 58), eine ambere griechiſche Form für Argiver (|. b.).

Argier (Bed. Semele 2), die Bewohner von Argos (f.b.). Argiver (Iph. I, 3w.:5.), bet Sch. auch Achiver und Ar: geier, werben von Homer oft die Griechen genannt.

Argos (Geb. Semele2. 2.2. d. Ken. 31. Phoͤn) die Hauptſtadt der Landſchaft Argolis im Peloponnes; nad Sph. I, 1) Agamemnons Herrſcherſitz. Vergl. Cyklopenſtadt.

Argus (Moth.), deſſen Abkunft verſchleden angegeben wich, war der hundertaͤugige Wächter (au dem ganzen Kärper mi

Ariabnue Ariſtoteles. 35

Augen verfehen, vorn denen immer nur die eine Hälfte ſchlief), welchem Zuno bie Bewachung der von ihr aus Eiferſucht in eine Kuh verwanbelten Jo übergab. Mercur töbtete ihn auf Befehl des Jupiter, worauf June die hundert Angen feines Körpers dem Pfau in den Schweif fehte (vergl. Here). Der Argubblick Tommi dfter bildlich vor, wie (R.II,8): „Er, der die hundert Augen Des Argus hat, Fleden an feinem Bruder zu ipäben” ferner (D. C. 1, 1): Be „th weiß, baß hundert Hungen Gebungen find, mich zu bewachen und (M. ©t. II, 8): „Bie ein Gefangene vom Argusblid Der Eiferfucht gehütel.”

Ariadne (Ph. I, 1), f. Phäbra.

Aricia (PH. I, 1), der Sage nad) eine Nymphe, mit der Rh Hippolytus vermählte, Indem Artemis ihn nach feinem um. glüdlichen Tode wieder auferwedt und nach Stalien verfegt hatte. Ste flammte aud dem Geſchlechte der Pallantiben (f. b.).

Arion (Ged. D. Götter Griechenlands), ein berühniter @itHerfpteler und Dichter, dem man bie Ausbildung bed „Dis

thyrambud“ verdanft (daher feine Zufaurmenftellung mit Pindar); er ſtammte aus Methymna auf Lesbos, einer Inſel im nörd- lichen Theile des Aegätichen Meeres, und lebte um 600 v. Chr. Man vergl. Schlegel’ 8 und Tiecks befanute Gedichte: Arion“.

Arioſt (Sftf. 241). Lodovico Ariofto, ein berühmter ita⸗ lieniſcher Dichter aus dem 16. Jahrh., der fich beſonders durch Venen „rafenden Roland” unfterblich gemacht Hat.

Ariſtaͤrch (Geb. D. berühmte Frau), ein berühmter aleran- driniſcher (f. d.) Grammatiker (150 v. Chr.) und gelehrter Er⸗ Ehrer der Gedichte des Homer, zeichnete fi durch Scharfſinn und reiche Kenntnifſe aus. Nach ihm pflegte man alle firengen Kunftrichter Ariſtarche zu nennen.

Aeiſtsteles (Geb. D. Philoſophen), einer ber berühmteften Bhilofophen Griechenlands, geb. 384 v. Ehr., + 322, bet Ersieher

36 Arkadien Armenter.

Alexanders des Großen, ber Schöpfer der Naturgefchichte und | Berfafler vieler philoſophiſcher Schriften. Die Stelle in ber Borrede zu den Räubern: „bie allzu engen Palifaden des Ari: | ſtoteles“ bezieht fidh auf die fogenannten drei Einheiten (ber Handlung, des Ortes und der Zeit), welche, nach einer jetzt als unrichtig erfannten Auslegung, Artftoteleg in feinem Buche über die Poetik in jedem Trauerſpiel beobachtet wiffen wollte. Dana follte jedem Stüde nur eine Handlung zu Grunde liegen, unb e8 follte diefe Handlung ohne DOrtöveränderung und in einem Zeitraum von 24 Stunden vor fi gehen. Daß dadurch ein Stüd wie die Räuber unmögli werden würbe, fieht man leicht ein. In Leffing’8 Hamburger Dramaturgie werben bie hierher gehörigen Fragen genau erörtert.

Arkadien (Ged. Reflgnation. D. fpielende Knabe. R.IT, 1), ein von Hirten bewohntes Gebirgsland im mittleren Theile des Peloponned. Seine Bewohner lebten, wenigjtens in den älteren Zeiten Griechenlands, in glüdlicher Einfachheit und Unabhängigkeit und waren letbenjchaftliche Verehrer der Muſik und Poefle; daher arkadiſch (Geb. D. Triumph d. Liebe) ſ. v. w. ein verltebter Schäfer.

Arkebuflere (Wſt. L. Perj.:Verz.), von dem fraf. arquebuse, Hakenbüchſe; ſ. v. w. Büchſenſchützen. arkturiſch (Bed. D. Antike an den nord. Wanderer), nordlich, von dem Arkturud, einem Sterne erfter Größe in bem Stern» bilde des Booted am nördlichen Firfternhimmel.

Armada, ſpan. eine Ausrüftung, Kriegäflotte; |. D. un. überwindliche Ylotte.

-. Yrmenier (Sf. 129), ein -Bemohner von Armenien, einem jüblih vom Kaufafus, zwifchen dem Schwarzen und dem Kaſpiſchen Meere gelegenen Hochlande. Die Armenter find fo- wohl als Handeläleute berühmt, wie auch durch eine eigenthüm⸗ Ude Bildung von hohem Alter, Bekannt find ihre Mechitariften- Möfter zu Wien und Benebig.

Armida Artemis. 37

Urmida (MR. St. II, 4), eine weibliche Geſtalt, wie bie ber Eirce oder Kalypio in Homer’3 Odyſſee. In dem Gedichte des ilalieniſchen Dichters Tafſo (+ 1595) „DaB befreite Serufalem”, worin er den erften Kreuzzug befingt, in's D. überfept vom Griet (dter Sefang), tft fie ein Weib von zauberiſcher Schönheit und un: widerftehlicher Berführungdfunft und von ben den Chriſten feind: lichen Höllengeiftern dazu beftimmt, den jungen Helden Rinaldo an fih zu fefleln, um fo Serufalem vor ben Chriften zu retten, da es ohne ihn nicht erobert werben Tann. Sie und ihre zau⸗

berihen Gärten (15. ©.) find fprühwörtlic geworben.

| Arnheim, aus ber märkifchen Familie Arnim; (Pice. II, 5 web T), wo Dueftenberg diefen Namen mit einer gewiffen Richt: achtung ausſpricht, als fei Arnheim ein Wallenftein’3 unmür: tiger Gegner. Arnheim war (f. Sch. Dr. Kr. 214) ein Felbherr GGFeldmarſchall) des Kurfürften Johann Georg von Sachen. Nach dem Siege Guſtaw Adolph'3 bei Leipzig rüdte er in Böhmen ein und eroberte e8 (Dr. Kr. 276ff.). Die kriegeriſchen Operatio- nen, von denen In unferer Stelle die Rede ift, beichreibt Sch. Dr. Kr. 330— 388.

Arras (3. v. O. III, 3) in Frankreich, Die Hanptftabt ber ehemaligen, zume Herzogthum Burgund gehörigen Graffchaft Ar- tois, des jebigen Departements Pad de Calais.

Artemis CMyth.), bei den Römern Diana, führte von ihrem Geburtsorte Delos auch den Beinamen Delia (Geb. 2. B. d. Aen. 20). Ste war die Tochter bes Zeus (Iph. V, 5) und der Latoͤna und bie Schwefter des Apollon. Bei den Grie—⸗ Gen wurde fie als Mondgöttin (daher 4. B. b. Aen. 98: „Die - vend dreimal wechfelnde Geftalt”), bei den Römern meift als Goͤttin der Jagd verehrt. Schon als Kind hatte He von Zeus dad erbeiene Vorrecht erhalten, ewig Jungfrau bleiben zu dlrfen Gaher Ph. V, 1: „bie keuſche Diana“). Ste durchſchweift als Jägerin Gebirge und Wälder, begleitet von einem zahlreichen

Gefolge jungfräulicher Nymphen (vergl. Geb. D. deufliche Feſt. - Bin) Im Altertfum war fie (Iph. 1,1): „die Schügerin

88 Arth Aſtrachan.

von Aulis“, wa ihr in heiligen Hainen (Iph. I, Zw.⸗H.) Opfer Dargebracht wurden; und auch in modernen Darftellungen er- ſcheint fie als die Schuppatronin der Säger, wie (Br. v. M. 430), wo Manfred jagt:

„Der firengen Diana, ber Gremmbin ber Jagden,

Saffet und folgen in's wilde @ehölz.“ Belsuntlih pflegt man auch Jagdhunde gern Diana (Dien- ſchenf. 2) zu nennen.

Arth (W. T. IV, 1), ein Städtchen am füblichen Ende des Zuger Sees, am Fuße des Rigi. Der „Weg von Arth ua Küͤßnacht“ geht am Zuger See entlang.

Age. Im Alterthum pflegte man bie Todten zu verbrennen und die erdigen Weberrefte (Aſche) derfelben in Amen aufzube- wahren; daher (Sp.u.d.8.) „die Aſche des Lykurgus“ (|. d.). Sm höheren Stil heißt Aſche f. v. w. „bie irdifchen Weberrefte* überhaupt, wie (Dem. II, 1), wo Olga von bem als tobt bewein- ten Dimitri zur Marfa fagt: „doch feine Aſche jahft du nie“.

Aftan (Geb. 2.3. d. Xen. 108) od. Adcantus, ber Sohn des Aeneas (vergl. d.) wurde von den Römern (ebendaf. Str. 115) Sulus genamnt..

Aſoͤpus (ph. III, 4), ein Zlußgott in Böotien. Im einigen Ausgaben fteht faͤlſchlich Ae ſopus.

Aſpeeten (R. I, 3 K. u. 8%. I, 4), Ausſichten, Anzei⸗ hen; |. a. Mftrolog.

Aſtraͤa (Ged.), eigentlich ein Beiname der Dike (d. i. Recht“), der Gottin bed Rechtes, |. v. w. „Sternenjungfrau“. Als Göttin ber Gerechtigkeit wandelte fie in dem goldenen Zeitalter auf der Erde und verließ biejelbe von allen Himmltichen als die letzte, am im Thierkreiſe als das Sternbild „Zungfrau” zu’ glänzen. Sie wird mit einer Binde um bie Augen bargeftellt.

Aſtrachan (Zur. I, 1), die Hauptflabt bed ehemaligen Kö- nigreich8 Aftrachan, welches einft zu dem Chanat Kaptichal, einem Theile bed großen Mongolenreichs, gehörte, jeit dem 16. Jahrh. aber unter Iwaͤn II. mit Rußland vereinigt wurde,

Aſtrolog. hr)

Aſtrolog, (Pic. I, 1 Bf. T. I, 1) ein Sterndeuter. Die Aiirsiagie, (Bft. T. U, 3) „Sterntunft“ genanm, tft die trägerliche Zunft, aus Der Giellung ber Sterne be⸗ ſenders das Schickſal der Menſchen vorherzuſagen. Sie wurde beigubers im Mittelalter, und zwar felbft von denfenden Fürſten und uambaftern Gelehrten gepflegt. Daß man fich im Alterthum mit dem einfachen Auffaſſen der Erſcheinungen begnägte, wie der geflirnte Himmel fie darbietet, Tiegt nahe; ebenſo, daß bie Phantafle, die in jenen Zeiten die vorherrſchende Kraft der Seele wer, in dem Wechſel der Erfcheinungen das Walten freundlicher oder feinbliher Dämonen zu erfennen vermeinte Wem auch . eigene hervorragende Geifter die hinter dem äußeren Schein

verbargene Wahrheit ahnten und anzubenten wagten, fo war died dach eben nur eine Ahnung, deren Richtigkeit weber von den Zeitgenoſſen, noch von den Nachkommen verflauben wurde. Erſt mit Galilei (geb. 1564, + 1642) rangen fich die Raturwiſſen⸗ ſchaften aua den Feſſeln ‚phantaftifcher Träumereien los, ohne jedoch dem aftxologiichen Irrwahn fogleich den Todesfioß zu verjegen. Man darf ſich daher nicht wundern, wenn Ausbrüde, wie „Slädsftern" (Br. v. M. 470) oder „ungliädlihes Sekirn” (3.9.0. II, 8), dedgl. „böfer Stern" (Zur. I, 1) allgemeine Anerkennung und weit verbreitete Annahme fanden. Daher ſagt anıh Johanna (3. v. D. II, 4) vergleichungaweiſe zu Burgund:

„Icht Ihimmerk du in ſegenvollem Licht, Da du vorhin in blutroth düftrem Schein, Ein Shredensmond an biefem Himmel hingſt.

deigleihen Sagt auch Iſabeau (J. v. O. II, 2) zu den entzweiten Feldherren:

„Was für ein hirwerrückender Blanet Berwirrt euch alfo die gefunden Etunet” fehlte es auch nicht an Gegnern ber Mftrologie, wes⸗ halb Si. den Illo (Picc. II, 6) zu Wallenſtein fagen läßt: „DH! bu wirft auf die Sternenftunde warten, Bis dir bie irdiſche entflicht.”

40 Aftrolog.

Um die Art und Weiſe zu verftehen, wie die Aftrologen "bei ihren Prophezeihungen zu operiren pflegten, bat man Folgendes zu beachten. Der ganze Firfternhimmel dreht fich ſcheinbar Ek 24 Stunden um bie Are der Erde, während bie Planeten ihre Stellung zu einander beftändig ändern. Die letzteren wanbelit nämlich in fehr verwidelten Pfaden in einer Bone des Himmels bie den Aequator ſchief durchſchneidet, fo daß bie eine Hälfte nach Norden, die andere nach Süden gerichtet ift. Diefe Zone bildet den fogenannten Thierkreis mit den zwölf himmliſchen Zel⸗ chen, deren jebes in 30 Grade getheilt ift, um, den jedesmaligen Stand ber Planeten genau beftinnmen zu Eönnen. Nach der Auf⸗ faflung. der Aftrologen wurben Sonne und Mond mit zu Den Wandelfternen gerechnet, von denen bamald nur Merkur, Veruß, Mars, Jupiter und Saturn bekannt waren. Alle übrigen Pla; neten Lonnten für die Afteologte Feine Bedeutung haben, da fte mit unbewaffnetem Auge nicht beobachtet werden Können, Ahern haupt aber erft jeit bem Jahre 1781, wo Herichel den Uranııd entdedte, nad und nach bekannt geworben find. Man unter⸗ ſchied alfo im Mittelalter fieben Planeten: Sorme, Mond, Ber cur, Venus, Mars, Zupiter und Saturn, bie man ähnlich den Firfterngruppen auch bildlich darzuſtellen pflegte; daher werben (Bft. T. I, 1): „die fieben Planetenbilder“, (Bft. T. I, 7) „pie fteben Herricher des Geſchicks genannt. Um eine prophetifche Deutung der Zukunft zu geben, oder (Picc. II, 1) „bie Plas neten zu fragen”, handelte es fich bei den Aftrologen um bie Stellung, welche die Wandelfterne in einem gewifien Zeitpunkt zu einander und zu ben himmliichen Zeichen einnahmen. Be— ſonders beichäftigten fte fih damit, Semanden (Picc. II, 6 u. III, 4) da8 Horoſkop zu ftellen. Um ſich Hiervon eine Vorſtel⸗ lung zu machen, denke man fi ben Mittagskreis, welcher von bem Zenith durch ben Südpunkt des Horizonts, unter dieſem fort und durch den Nordpol des Himmels zum Zenith zurückgeht. Dieſer Kreis theilt den ganzen Himmel, alfo auch den Thier⸗ kreis, an irgend einer Stelle in zwei gleiche Theile. Blickt man

Aftrolog. 4

nun nad Süden, fo zerfällt der ganze Himmel in eine linke und eine rechte Hälfte. Jede Hälfte des Thierfreifes zerfällt wiederum in ſechs Theile, von Denen in den Moment, wo jeine Solftitial- puxtte mit dem Meridian zufanmenfallen, auf jeder Seite brei über und drei unter dem Horizonte liegen. Diele zwölf Ab» chnitte Heike in der Aftrologie bie himmliſchen Häufer (Picc. 6: „de Himmels Häufer”). Sie werden gezählt, indem man an der Tinten oder Oftſeite zunächft unter dem Hori⸗ egenden, als bem erften beginnt, dann unter dem Hort ch rechts weiter zählt, fo daß Über dem Horizonte neben dem erften das zwölfte Haus Hiegt. Jedes diefer Häufer hatte feine befonbere Bebeutung. Da ih daB Himmeldgewölbe bei feiner Drehung um die Himmels: und Erbare von Often nad Weiten bewegt, fo war Ar. 1 bad auffteigenbe Haus, ober bab Horoſtkop, D. h. der Punkt des Thierkreiſes, welcher in dem Augenbiidl der Geburt eines Menfchen aufgeht (woͤrtlich: Stun- denſchau); mit ihm ftieg das erfte Haus an. Nr. 2 war dad Haus des Reichihumd, Nr. 3 dad ber Brüber, Nr. 4 baß ber Berwandtichaft, Nr. 5 da8 der Kinder, Nr. 6 das der Geſund⸗ beit, Ar. 7 daB ber Ehe, das mit dem untergehenden Punlte bed Thierkreiſes aufhört; Nr. 8 das des Tobes, Ar. 9 dad des Mit leids, Nr. 10 das ber Würben, welches mit dem zur Zeit der Geburt eined Menſchen eulminirenden Theile des Thierkreiſes anfängt, Nr. 11 bad Haus ber Freundſchaft, und Nr. 12 ba ber Feindſchaft.

. Sobald mm ber Aftrolog jeine Häufer für einen beftinnnten Bettyunft feftgeftelit Hatte, conftrnirte er fi eine ziemlich einfache mecthematiſche Figur. Man zeichne ih ein Duabrat (f. &.42), thelle jede Seite beffelben in zwei gleiche Theile und verbinde bie benachbarten Halbirungspunkte durch gerade Linien. Auf biefe Weiſe erhält man ein zweites auf ber Spipe ſtehendes Uuabrat, mit dem man ebenfo wie mit dem erften verfährt, woburh man ein drutes Quadrat erhält, defien Seiten mit dem bed erfien pa⸗ rallel gehen. Endlich werben bie Ecken des dritten Quadratt

a H

2 Aſtrolog.

mit den zunächft liegenden des erſten verbunden. DaB ganze fhelt nun zwei Quadrate, ein kleineres und ein größeres Dar, zwiſchen deren Seiten 12 Drei» ede liegen, welche mit de Bif- feen I—XII bezeichnet werben, und zwar fo, dab man au Deus Mittelpunfte der linken Seite beginnt, und nach unten weiter fortichreitend, um dad inzere Duabrat berumgeht. Die fo be» zeichneten Dreiede entſprechen nun den zwölf himmliſchen Hãu⸗ jern, beren jebed die oben ge⸗ nanuten Beziehungen auf bie Schichſale des Menſchen bat, das fich natürlich verfchieden geftaltet, jenachdem biefed nder je- nes Beichen in da3 Haus eintritt (Picc. III, 4).

Bon bejonderer Bedeutung für den Aftrologen waren bie fogenannten Afpecte („Anblide”) (Wf. T. I, 1), od. (ebendaf.) „Planetenajpecte”, d. h. die verſchiedenen Stellungen der Sonne, des Mondes und der Planeten im Thierkreife gegeneinander; da⸗ ber (BER. T. J, 7N:

„Die Zeichen ſtehen ſieghaft über dir, Glũck winken bie Planeten bir herunter Und rufen: Es iſt an ber Zeit” oder (Bft T. V, 5): „Die Zeichen ftehen graufenhaft” .... „Wed jelbft in dem Planetenftand“. Man unterfcheidet fünf fol her Afperte: 1) die Conjunction oder Zufammentunft; 2) bie DOppofition oder ber Segenfchein (Bft. T. I, 1 „Doppelfchein”), in bem die Sterne 180° von einander entfernt find, alfo ber eine anfgeht, indem ber andere untergebt; 8) ber Gebritt- ober Triagonalſchein; 4) der (Bft. T. I, 1) Gentert: ober Duabrat- ſchein, auch die Quadratur genannt, wo die Sterne um 90° aus⸗ einander fiehen; 5) ber Gefechft: oder Sechftelfchein. Den brei

Aftronomen Atalanta. 48

legten Aſpecten, die für die Aſtronomie völlig werthlod find, ſchrieben die Aftrologen einen bedeutenden Einfluß (wegen ber „Khrägen Strahlung”) auf das menſchliche Schidfal gu. Un tex den zwölf Hänfern waren die wichtigften und einflußreichſten die vier jogenaunten Angeln des Himmeld, d. h. die vier Eden Dei auf der Spige ſtehenden Duadratd, die unwichtigften und bedeutungßlofeften bie vier ihnen unmittelbar vorhergehenden, die man daher auch die „faulen oder die fallenden Häufer“ nannte, Stand ein Planet (3. B. der Satum, BR. T. I, )) in einem diefer Haͤuſer „in cadente domo“, fo war er „unſchaͤdlich, macht⸗ 108”, weil er jegt feinen Einfluß verlor. Bergl. den zu dieſem Artikel bemupten Auffap „Wallenftein und die Aftrologie” in „Studien. Populäre Vorträge von Schleiden. Leipzig, bei En- gelmann, 1855“.

Aſtronomen, Un die (Ged.), ein Epigramm aus dem Jahre 1796. Sch. hatte für die rein berechnende Thaͤtigkeit ber Aftro⸗ nomen wenig Sinn; er fuchte dad Erhabene mehr in dem Men: Tchen jelbft, ber allerdings auch durch äußere Erſcheinungen zu erbebenden Betrachtungen veranlaßt werden Tann.

Aſtronomiſche Schriften (Ged.), ein Epigramm, befien Tendenz mit der des vorigen Üibereinftimmt. Der Bermuthung zufolge follte e8 ſich auf eine Schrift: „Kosmologiſche Unterhal: tungen für die Iugend“ von Wünſch beziehen.

Aſtyanax, der einzige Sohn bed Heltor und ber Androͤ⸗ made. „Ueber Aſtyanax unfre Goͤtter!“ (R. II, 2) jo viel als „unferes Sohnes werben ſich die Götter erbarmen”! Der Bert verlangt ben falfhen Accent „Ultyinar“.

Atalauta (Phön.), eine Tochter des Königs Jafus und der Klhmene in Arkadien. Ihr Bater hatte fie außjegen lafſen, da er fi einen männlichen Erben gewünfcht hatte; indefien wıuzbe das hülflofe Kind von einer Bärin gejängt und ſpuͤter son Jaͤ⸗ gen rauh und wild erzogen, fo daß Jagd und Staub ihre Lieb⸗ Kngäbefchäftigung ward. Sie ift beſonders hekannt als bie Rut⸗ ter des Parthenopäns (Phön.), eines der fieben Helden, welche

44 Ate Athene.

gegen Theben zogen. Als Bater befielben wird bald Meledger, bald Ares angegeben.

Ate (M. St. II, 3. Eigentlih ein griechiſches Hauptwort, weiches „Schaden, Unheil, Geifteöverwirrung, Berblendung” be- deutet, dann auch einen Frevel, eine Schuld, und in diefen Be⸗ beutungen bei Homer außerorbentlih häufig ifl. Dann wird es von ihm perſonificirt (ST. 19, 91; 9, 502) als „Unhellsgättin, Tochter des Zeus, Urheberin der Geifteöverirrung oder Verblen- dung unb bed baraud entipringenden Unheil”. Sch. Hat in obiger Stelle den Begriff derfelben dichterifch frei behandelt.

Athen (Ged. Semele Ph. I, 1 u. I, 1), lat. Athenae, wie (Ph. I, 3. des Verjed wegen), die Hauptjtadt des alten Kö- nigreichs Attifa, fpäter Die berühmte Republil. Der Sage nadh wurde bie Stadt 1550 v. Chr. von Kekrops (Ged. D. Kraniche bes Ibykus; 1, 250, Anm. Cekrops) gegründet, weshalb die Burg (die Akroͤpolis) urſprünglich Kefropia hieß; fpäter wurde Die Stadt nach der Söttin Athene benannt.

Athene (Myth.), bei den Römern Minerva, die Tochter des Zeus, wurde aus deſſen Haupte geboren, aus dem fle mit voller Rüftung und fchredlihem Kriegsgeſchrei hervorfprang, fo daß der ganze Olymp vor dem Schwunge ihres Speered erbebte, die Erde feufzte, der Ocean erbraufte und der Wagen des Son: ſtillſtand; daher in dem Eleuſiſchen Feſt:

„Und Minerva hoch vor Allen

Ragend mit gewicht'gem Speer,

Läßt die Stimme mächtig ſchallen

Und gebeut dem Gotterheer.“ Häufig heißt fie auch Pallas Athene und (Ged. 2. B. d. Uen. 71 u. 105) Tritonia od. (Ged. 2. B. d. Aen. 39) Tri⸗ tonide. Athen war einer der älteſten Orte ihrer Verehrung, weshalb es (Ph. I, 5) Minervenſtadt genannt wird. Athene tft vor Allem die Göttin des Krieges. Bor Troja begünftigt fie die tapferen und Mugen Griechen gegenüber dem Mars, wel- cher anf Seite ber Trojaner ftand; fle war es auch, welde den

Athene. 45

Erkus G. d.) lehrte, das berühmte Pferd (Ged. 2 B. d. Aen.3 u. 31) zu verfertigen. Trotz ihrer kriegeriſchen, oft ſelbſt feind⸗ ſeligen Geſinnung erſcheint fie Doch zugleich als die Beſchützerin aller nũtzlichen Erfindungen, vor Allem des Ackerbaues, in Folge deſen fie als die Grũnderin der Städte, wie (Geb. D. Siegesfefb: „Ballas, die die Städte gründet Und zertrummert” ...... und ald bie Urbeberin des gefelligen und gebildeten Lebens er- fcheint; daher (Ged. D. Eleuſiſche Feft): „Sehe Mauern will fie gründen, Sedem Schug und Schirm zu feln, Die gerfireute Welt zu binden In vertraulichem Berein.“ Eben ſo wird fie als die Erfinderin und Beſchuͤtzerin der Schiff⸗ fahrt genannt; daher heißt es von ben Schiffen, die zum Streit nad Sion geführt werden (Iph. I, Zw.-9.): „Ballas mit geflügeitem Geſpanm Spt ihr Zeichen auf der Wafferwäfte Eine Selferin dem Steuermann!” Mit Bofelton gerieth fle in einen Streit um die Benenmmg Abend. Da entihieben die Götter, die Stadt jolle nach dem Namen dedjenigen genammt werben, der die Menjchen mit dem beiten Gefchen? erfreuen würde. Pofeidon ſchuf das Roß, Athene den Delbaum, und diejer ward für nüßlicher erflärt, daher bringt „Minerva (ed. Spaziergang) des Delbaums grünende Reiſer“. Auf dieſe Weije eine wohlthätige Helferin, tft fie ſchließlich auch die Göttin der Weidheit; daher (3.9. O. IH, 6): „Grhabene Beruunft, lichthelle Tochter Des goͤttlichen Haupted.“ Somit erfcheint fie als Beſchũtzerin der Wiſſenſchaften und Künfte, die des Denkers Geift mit Forfcherfraft, des Künftlerd Seele mit Begelfterung erfüllt, ja ſelbſt einen prophetiſchen Blick in Die Zukunft gewährt; daher (Ged. D. Siegetfeft): „Srradh 9 ulyß mit Barnımgöblide, Bon Athenens Geiſt befeelt.”

46 Athos Atlas.

Und (Geb) „einem fungen Freunde, als er fi ber Weisheit wibnete” legt Sch. bie Frage vor: „Biſt Du bereitet und reif, dad Heiligthum zu betreten, Bo deu verbäditigen Schatz Pallas Athene verwahrt?”

Der Liebe war fie abbold und blieb ewig Jungfrau; daher fagt Sorel (3.9. D.IV,2) zu Johanna:

„Mein liebend Herz flieht ſcheu vor Dir zuräd,

So Imge Du der firengen Ballas gleicht.” Die Kunft ber Alten ftellte die Athene als eine erhabene jung- fräuliche Geftalt von hoher Schönheit dar, denn ſie durfte (Iph. 1, Zw.:9.) vor Paris mit Here und Cypria (d. i. Venus) um ben Preis der Schönheit ringen. Berg. Eris.

Athos (Geb. Semele 2), das VBorgebirge auf der oͤſtlichften ber drei langen Lanbipigen ber macedonifchen Halbinſel Chi: fidife, welche fih in das Agdilche Meer hinein erftredi. Diss Borgebirge wurde befanntlic von Xerxes burchftochen.

Atlas, der Sohn des Titanen Jaͤpetus hatte fih mit den übrigen Titanen gegen Zeus empört und mußte beöhalb zur Strafe dad ganze Himmelsgewölbe auf feinen Schultern tragen (Ged. 4.3. d. Aen. 46, 47 u.88). Einer andern Sage zufolge war Atlas König von Mauretanien in Afrika und wurde vom Perſeus, dem er gaftliche Aufnahme verweigerte, vermittelft bes Medufenhaupted in einen Berg verwandelt. Weber die folgende "Stelle (Br. v. M. 425) fehe man auch „Perjeud*:

„Eindringt der Bott auch zu verfloff'nen Thoren; Zu Berfeus Thurm dat er ben Weg gefunden, Dem Dämon tft fein Opfer unverloren. Bär’ ed an öbe Klippen angebunden . Usb a bed Atlas Hintmeltzagenite Gäulen, ©o wirb ein Slügelroß es bort ereilen.” Bildlich heißt es ferner (M. St. IV, 3) von Lord Burleigh: „Da ſeid Ihr ber allgewicht'ge Ram, ber Atlas Dei Staats: ganz England Liegt auf Curen Schultern”, f. Homer, Ob. I, 52.

Atoͤm Aufgabe. 4

Ute, eig. ein untheilbares Beſtandthellchen ber Materie (Ger. D. Frenundſchaft), Feine Theile überhaupt; auch bilblich für die Bryerliche Hülle des Geiſtes wie (3.v.D. II, 6):

“Balb ifi’6 vorüber, unb der Erde geb’ ich,

Der ew’gen Sonne die Atome wieder,

Die RG zu Schmerz und Luft in mir gefügt.' Atreiden, |. Atreus. Utrens (Bed. 2.32. d. Aen. 17. D. Siegeöfeft. Pom⸗ yet und Heraulamım. Iph. 1, 1), der Enkel bes Zantalus, ber Sohn be Königs Pelops, der Bater des Agamemnon (f. d.) und Meneläuß, welche nah ihm auch Häufig die Atriden (Geb. 3.2. d. Yen. 73. D. Siegesfeſt. Iph. II, 1 u. IV, 1) ober «Sed. 2. B. d. Aen. 87) Atreiden genannt werden.

Atriben, ſ. Atreus.

Attika (Ged. Semele 1), die äftliäfte Landſchaft Mittel⸗ griechenlands, in welcher Athen (ſ. d.) lag.

Attila (Wſt. T. 1,5), in der deutſchen Heldenſage auch Etzel genannt, batte ſeit 444 n. Chr. die wilden Hunnenſtaͤmme vereinigt, mit denen er gegen die weſtlichen Länder zog und in Deutſchland und Frankreich Schreden verbreitete, bis er von ben Weftgothen und Franken auf den katalauniſchen Yeldern (bei Ehalond an der Marne) beflegt wurde, worauf er 453 flarb.

Attinghauſen (W. T.I,4), der Wohnort Walther Yürft's, in bem feiner ganzen Länge nad von ber Reuß burchftrömten Canton Url. Bon der Burg bed Freiherrn Werner von Atting- haufen find noch Trümmer vorhanden.

Attribut, zunähft eine beigelegte Eigenſchaft; dann ein Finibtldliches Unterſcheidungszeichen für allegoriſche Geftalten, wie (9.6. 8.) die Manerkrone und das Schiff Für die Architectur.

Eben fo wird der Adler als Attribut bes Zeus, der Pfau als daB der Here, bie Fackel ald das des Hymen angefehen.

Aubefpine, ſ. Maria Stunt.

Yufgabe (&eb.), ein Epigraum von paraborem Charakter, ans dem Jahre 1796. Nur durch Erhebung zum Idealen kann

48 Aufkoͤmmling Ausftaffirung.

der Einzelne bet vollftänbiger Wahrung feiner Iudividualltät ein vollendeter Menſch werden.

Aufkommling (Gſtſ. 116), ein von Sch. gebildetes Bart, welches an das franzöſiſche parvenu erimert, das gewöhnlid durch Emporkömmling überjegt wird.

Yufpafier, Der (Geb.), ein Epigramm aus dem Sabre 1796; es war vermuthlich an Sch.'s „kritiſches Kleeblatt“ Gothe, W. v. Humboldt und Körner) gerichtet.

Aufſtreich (R. J, 2 u. II, 1), in einigen Gegenden Deutſch⸗ lands ſ. v. w. Verkauf an ben Meiftbietenden; oder bildl. (R. I, 2) ſ. v. w. Steigerung; vergl. Abftreich.

Augen, hundert (O. C. J, 1), ſ. Argus.

Aulis (Geb. 4. B.d. Xen. 79. Die Kraniche des Ibykus. Iph. I, 1), eine Stadt in Böotien, von welcher die griechiſche Zlotte im Sabre 1184 v. Chr. nad Troja abfegelte.

Aurora, |. Eos.

ausbieten (K. u. 8. L 1) ſ. v. w. Jemandem das Hauß ver: bieten. In Gr.d. W. wird als ältere Conſtruction die mit dem Dativ angegeben, 3. B. „einem Pachter auöbieten“, d. h. ihn kündigen. Göthe bat den Accuſativ, wie hier Sch., der dort nicht angeführt ift.

Ausgang aus dem Leben (Ged.). In der Erhebung zum Idealen erblickt der Dichter ein Mittel, dad dem Menfchen über die Schreden bed zeitlichen Todes hinweghilft. Vergl. dad Geb. Unfterblichkeit.

ausreichen (R. Vorr.), ſ. v. w. erfaffen.

Auſonia od. Auſonien (Ged. 4. B d. Aen. 64. Die Am tike an den nord. Wanderer) wurde von ben Hellenen ganz Italien genannt; urjprünglid war es nur ber ſüdliche Theil zwiſchen dem Appennin und dem Mittelmeer.

Ausftaffirung (Gſtſ. 119); flaffiren, von Stoff, etwas mit Zubehör, Stoff, verfehen; Ausftaffirung, daher f. v. w. Putz, doch gewöhnlich nur im komiſchen Sinne.

De u

®

Auftrier Babel. 49

Auſtrier (Geb. Deutihe Treue), ein Oeſtreicher, von dem nenlat. Austria, Deftreidh.

Auto da Ye (D.6.1,3), ſpan. (wörtlich: Act, d. i. Urtheil des Glaubens), ein Ketzergericht der ſpaniſchen Inquiſition (f. d.), die üffentliche und feierliche Verbrennung eines ſogen. Ketzers.

Autoͤmedon (Geb. 2. B. d. Aen. 84), ein Sohn bed Dioreß, zwar ber Wagenlenker ded Achilles und ber Vertraute bes Pa- trochıs, ſchon tm Altertum jprüchwörtlih für einen Wagen⸗ Lenker, wie no jegt im Franzoͤſiſchen, „automddon* Tomifch für Kuticher.

Avernus (Bed, Die Kimftler. 4. B. d. Yen. 5 u. 94), ein See tm füblihen Stalten, von hohen, bewaldeten Ufern einge ſchlofſen und mit jchwefeligen Ausdünftungen bevedt. Er war deu Göttern ber Unterwelt geheiligt und wurde als Sig eines Dratels häufig beſucht.

Axenberg (W. T. IV, 1), ein fchroffer Berg an ber Oftfeite beö zu dem Bierwaldftätterjee gehörenden Urnerſees, der hier eine Tiefe von 800 %. bat; an bem Berge zeigen fidh zwei Borfprüänge von ungleicher Größe, der große und ber Beine Axen.

Azinucourt (J. v. O. I, H), Stabt in ber Nähe bes Pad be Salats, wo König Heinrich V. von England 1415 einen ua zenden Sieg über bie Franzoſen erfocht.

B.

baardu (8.n.2.1,2), verd. für dad fraf. partout, durchaus.

Babel (Zur. II, 1). Die hochberühmte Hauptftadt Baby⸗ loniens eigentlich des Lande am untern Euphrat und Zigris, und eines ber ÄAlteften Weltreiche, wird im A. X. Babel genannt, von ben Griechen Babylon. Ste Ing an beiden Ufern des Euphrat, wo noch jest bei Hilleh fih Ruinen finden. Etwa 750 n. Ebr. wurde gegenüber an bem parallel fließenden Tigris die Stabt

L 4

50 Babington Bacchus.

Baghdad gegründet und Hauptftadt des muhammebantfchen Chalifenreiches. Mit Bezug hierauf ift die wunberliche Bezeich⸗ nung bei Sch. zu Stande gefommen. „Schach“, fo viel wie „König“, heißt der heutige Beberrfcher von Perfien, diefer Name hat Nichts mit dem uralten Babel zu thun. Wir bes finden uns in Turandot eben in ber Märchenwelt von Taufend und Einer Nadt. Babington, ſ. Marie Stuart. Bacchanten Bacchantinnen ſ. Bacchus. baechantifch Baechus (auch Ofkonhſos), der Sohn bed Jens‘ und ber Semele (f. d.), iſt bewichöne, jugendfich heitere Gott des Weines. Nachdem er die Hüfte feines‘ Waters verlaffen, ward er bem Hermes übergeben, welcher ihn von Nymphen auf dem Berge Nyſa in Indien (daher vielleicht der Name Dionyfos, beffen erfte Sylben dann „Gott“ bedeuten würben; |. SI. 6, 182; 14, 325; Db; 11, 326) erziehen lieh. Bon Bbotten aus (demm Semele, die Tochter de Cadnwos, wohnte in Theben, und bier mag auch urfprünglich Nyfa gelegen haben) verbreitete ſich der Cultus bes Gottes über ganz Griehenland und, wie die- Griechen es fich in fpäterer Zeit vorfiellten, durch einen wunderbaren Zug be3 Gottes jelbft, bis in das ferne Indien. Aber diefer Zug wurde zu einem weltbeglüdenden, dern burch Die Veredelung des Wein: ſtocks hatte er den Sterblichen das Getränk verliehen, welches das Herz erfreut. Auf diefe Weife durchzog er nun die Welt, um den Weinbau zu verbreiten, begleitet von einem fröhlich jauchzenben Gefolge von Halbgöttern, Männern und Weibern, welche fich ihm anfchloffen, daher in den „Göttern Griechen lands“, Str, 8: „Das Evoe mimtrer Thyrſusſchwinger Und ber Panther prächtiges Beipamı Meideten den großen Breubebringer; Saun unb Satyr taumeln ihm voran!

Bacchus. 51

Um ihn ſpringen rafende, Märnaben,

Ihre Tanze loben feinen Wein,

Und des Wirthes braune Wangen laden

Luſtig zw dem Beides ein," Einen mit Epheu oder Weinlaub umflochtenen Stab, den Thye⸗ ſus (Ged. Pompeji und Herculanum) in ben Händen, ein Tiger⸗ ober Rehfell um Die Schultern gehängt, fo erfcheint dad Gefolge von Männern und Weibern, Bacchanten und Bachantin- nen, bie letzteren auch Maͤnaden (d. i Rafende) genannt, in wilder Ausgelajjenheit, um. mit. Floͤten und Raufen ben Freuden⸗ bringer zu begrüßen. Daher heißt e8 (Geb. Pompeit und Her: culanum): „Hoch auf fpringt die Bachantin im Tanz, bort ruhet ſie ſchlummernd“; und von dem Palafte der Semele fagt Zeus (Geb. Semele 2): „grauenvolles Schweigen herrſcht rings: umher im einfamen Palaft, der fonft fo wild und fo bacchan⸗ tiſch Tärmte.“

Anfangs waren die Seite, bie man dem Bacchus zu Ehren feierte, wohl nichts Anderes als heitere und fröhliche Winzer: fefte; aber von Thracien aus verbreiteten fich bie fogenannten Drgien (jo viel wie geheime Religionsgebräuche) als mit trun⸗ fener Wildheit gefeierte Bacchusfefte nach und nach durch ganz Hellas. Daber heißt es (Geh. 4.B. d. Aen, 11): „EB quilit zweijäßr’ger Rinder Blut, dir, Bromius, zu Ehren”; ferner Hp, IV ! 3);

„Grüne Aromen in dem Kkar Usb mit fihtenem Gefchofle, Menſchen oben, wıim.Mafle. Kam auch, bez Ayntauren Schaar, Angelodt von Bromins Pokale Ramen fle zum Göttermahle.“ wo Bacchus mit dem Beinamen Bromtuß, d.5. der Lautjauch⸗ sende, bezeichnet wird; und an die mit nächtlichen Schwelgereien verbundenen Feſte erinnert die Stelle (Geb. 4. B. d. Wen. 56): „So führt, wem der DOrgten Ruf erfchaflt, Die Mänas auf, wenn durch ihr glühentes Behtrne Die nahe Gottheit brauſt, und von Githärond Stirne Das nächtliche Geheul der Schweſtern wibschallt.”

4*

52 Bacchus Batllif.

Als Sinnbild bes fröhlichen Gelages beim gefüllten Becher wird Bacchus oft genannt; fo (Geb. Die Gunſt ded Augenblids): „Denn was frommt es, daß mit Leben Ceres den Altar gefhmädt? Das den Burpurfaft der Neben Bachus tn die Schale drüdt?* und (Ged. Ditbyrambe): _ „Kaum daß ih Bacchus, ben Auftigen, habe, Kommt auch ſchon Amor, ber Iächelnde Knabe.” Ehen fo wird von bem Schmaufe (Picc. IV, 6) gefagt: „Sr Liebt die Backhußfefte auch nicht ſehr.“ und (D. &. I, 4) beißt e8: = ‚ein bachantifhes Getön Bon Reigen und von Pauken bonnert ihm Aus dem erleuchteten Balaft entgegen.” beögl. (5. 1,4): „ber bacchantifche Tanz.” Endlich heißt es mit Beziehung auf feinen Beinamen Zreubebringer (Pice. II, 9) von trunkenen Kriegern: Blindwüthend ſchleudert felhft der Bott der Freude Den Bechkranz in das brennende Gebaͤude.“

Baden (W.T.1V,3), ein Städtchen im Canton Aargau, | an der zur Aar gehenden Rimmath. Nicht weit davon liegt eine anfehnlihe Ruine, der Stein zu Baben (W.T. V, I) genannt, von wo aus Kaiſer Albrecht I. die junge Freiheit der Eidge: nofienfchaft bebrobte Als er am 1. Mat 1308 von diefem Schlofſſe fortritt, fand er durch die Rache feines Neffen, Johann von Schwaben, den Tod. Mit dem „König“ (IV, 3) tft Albrecht gemeint, und die Stelle:

„Man deutet's auf ein große® Lanbesunglüd,

Auf fchwere Thaten wiber bie Natur" tft als eine abergläubtfhe Vorahnung feiner Ermordung au betrachten.

Baillif (K. d. H.), eine Altere frif. Form, jebt bailli, ber Amtmann, Landrichter, Schultheiß.

Bairenth Bannberg. 93

Bairenth (Wft. 8.6), ein zu dem ehemaligen Oberfranken gehörendes Fürſtenthum, das felt dem Mittelalter im Befitz der Sohenzollerihen Burggrafen von Nürnberg war, 1810 aber an Baiern abgetreten wurde.

Balardo (Sftf. 10, 133) tft ein auffallender Drudfehler mehrerer früherer Ausgaben, ber in ber von 1860 in 8. be- ritigt if. Balordo ift italieniſch und bedeutet „chwerfälliger Menſch, Tölpel”.

Balbi (5. II, 4), eine der fchönften Straßen Genuas, die jest von dem Hafen bis zu dem Bahnhofe verlängert ift.

Ballade (Ged.), fraf. la ballade, wörtl. ein Tanzlied, dann eine abenteuerliche Begebenheit, in der Form eines Liedes barge- felit, Das in früheren Zeiten gefungen wurbe (f. Lyriſche Poefle).

Banbit, von dem ital. bandire, des Landes verweijen, ur: Iprünglich aber mit „bannen“ zufammenhängend, eig. ein Berbann: ter, Berwiefener; dann auch Landftreicher und beſonders (R. Verſ.Verz.) Straßenräuber und (%. IU, 5) Meuchelmörder.

Bank (Gfti. 10, 182), „die Bank auffordern“, d. h. ben Geſammtbetrag derjelben durch Pointiren gewifiermaßen heraus⸗ fordern, und fie fomit (F. II, 5) fprengen. Gr. d. W. führt zu „auffordeen” noch mehrere Beiſpiele aus Sch. an, z. 2. eine belagerte Stadt aufforbern, fr. sommer, auch im Sinne von „berauöfordern, reizen”, oder „Semandes Schuß auffordern u. a.

Bankerott (N. a. O. J, 15), gew. Bankrott, frz. banqueroute, von dem ital. banco rotto, d. h. gebrochene Bank, Handlungs» bruch, das Unvermögen zu zahlen; daher bankerott (R.I,2 u. 1,3), f. v. w. zu Grunde gerichtet; Banterottirer (R. J, 1), Betrüger; Geiſtesbankerott (K. u. L. IV, 9), fein Berftändniß . für etwas habend.

Baundberg (W. T. III, 3), ſ. Altorf; vergl. bannen.

54 bannen.

bannen (WB. T. U, 1). Die Wurzel eined Worted genau anzugeben, ift In fehr viefen Fällen, wie auch in dieſein, -mit großen Schwierigkeiten verbunden, f. über bannen '®r. D. W. Urſprünglich bedeutet es „Hegen des Gerichtes“, dantı jagt man „einen Forſt oder Wald, ein Gewäſſer bannen, ſie für heilig und unverleglich erflären, der gewöhnlichen Benußgung entziehen“, daher wird dad Jagdrecht an manchen Orten „Wildbann“ genannt. Deshalb heißt e8 (I, 1): „Sie werden den Hochflug und dad Hochgewilde bannen.” Go ein gejeglih binbender Ausſpruch, verflärft durch ben Volksaberglauben, befteht auch für die gegen Lawinenftürze künſtlich angelegten Schirmwälder; daher (III, 3): „Der Meifter Hirt erzählt'’8. Die Bäume ſeien gebannt, fagt er, und wer fie jchäbige, dem wachſe feine Haud heraus zum Grabe.“ Eben daher kommt wohl auch Baͤuner (ID, 1), d. 5. die Fahne, an welche die Truppen durch ihren Eid gefefielt find; dedgl. Bannerherr (I,2 u. II, 1), ber ein eigenes Banner erheben kann und zugleich mit der peinlihen Gerichfs- barkeit belieben if. Blutbann (II, 2) ift die oberfte Cri⸗ minalgewalt, d. h. das Recht, am Leben zu ftrafen. Der Ausdrud Blutbann war ſchon im deutjchen Alterthume üblich, wo bie fo» genannten Sentgrafen (II, 2 „ein großer Graf), welde ‚mit ber Gerichtsbarkeit über mehrere Hundert betraut waren, dtejed Recht hatten. Heerbann, ober ſchweizeriſch und alt Her i⸗ bann (II, 2) hieß das Aufgebot aller ‚waffenfähigen rfreien Männer, die fich ſelbſt ausrüften und auf dem Zuge eine be⸗ ftimmte Zeit lang mit Lebensmitteln verjehen mußten. Aufangs durfte der Heerbann nur für allgemeine vom Bolt beſchloſſene Kriege aufgeboten werben; ſpäter jedoch warb Died ein Recht des Kaiſers. Bildlich wird endlich Bann, nad Gr. d. W., an gewendet im Sinne des Fluchs, Zaubers, der Feſſel, des Ber- botes überhaupt, wie (Picc. II,4), wo Mar in Beziehung auf Theklas reihen Schmud von Wallenſtein jagt: „Barum auch mußt er beim Empfange gleich

Den Bann um fie verbreiten, glei zum Opfer Den Engel ſchmücken.“

Banner Barberroß. 55

Desgi. (WR. T. V, 2) von bem Weihwaſſer: Das ift bewährt, Hilft gegen jeben Bann.” und (Wil. T. V, 4), wo Wallenftein von der zerjprungenen gol: denen Kette fagt: „Diejed Banues Kraft if aus.” Endlich auch im Sinne bed Tirchlichen, den Sünder non ber Gemeinde ausſchließenden Banned auch W. T. V, 1: „Dem mit des Banned Fluch bewaffnet, kommt der Ungarn Königin, Die firenge Agnes” (f. dafelbft), obwohl Gr. d. W. dieſe Stelle unter die entfernteren, bildlichen Anwendungen jet. Banner, |. Wallenftein.

Barbar (Ged. Die Künftler Iph. I, 1), urfprünglich fo viel wie „fanımelnd”, „undeutlich ſprechend“, hie bei den Griechen jeder Ausländer; fpäter ein harter, graufamer Menſch, Unmenſch (Ged. 4.2. d. Ken. 10 R.L3— Ku 81,6). Der erften Bedeutung gemäß heißt e8 auch von Paris, dem Trojaner oder Phrygier (f. Aeneas Iph. II, Zw.⸗H.):

„Du fange Dein barbariſch Lieb.” Der ‚zweiten Bebeutung gemäß (8. u. 2. IV, 7): „mein bar: barijches 8908“; desgl. Barbarei (B. a. v. E.), Grau: ſamkeit.

Barbarofia (&. IV.2). Friedrich Barbaroffa (1152—11%0), der zweite Kaiſer aus dem Haufe der Hohenftaufen. Was Sch. mit dem Zuſatz „bem er:wider bie Seeräͤuber diente” bat ſagen wollen, entgeht uns; faft möchte man am eine feltiame Ber- wechſelung denken. Sn der fogenammten Thenteraudgabe "der Räuber, |. die Außg. v. 1860 in B., II, :&.235, 86 findet fidh bie Stelle gar nicht.

Bearberrst (3. v. O. V, 11), jebt gew. Berberroß, frzſ. eheval barbe, ‚auch Bärber und Bärber, bei Gr. d. W., ein Pferd aus ber Barberei (audy Berberei ober bis 1832 Bar- bareflen-Staaten, d.h. Tunis und Algier) im nördlichen Afrika.

56 Barcker Barfüher.

Daber au „barbarifche Küfte" (Gftſ. 10, 168 und , barbariſches Sklavenkleid“ (Gſtſ. 176). Die Berbern find eigentlid Der Bollsftamın, welcher Nordafrika fett uralter Zeit bewohnt, jetzt aber von den Arabern in die Sahara und den Atlas zurück⸗ gedrängt wird. Da beide Böller Muhammebaner find, werben fie größtentheilß verwechjelt, Haben aber in ihrer Abſtammung ſchwerlich etwas gemein, die Sprachen wenigftend find ganz ver- ſchieden. Auch Berberei und Barbaret werden verwechjelt, wozu auch die Stellen aud dem Geifterfeher Anlaß geben könnten.

Bareder (Ged. 4. B. d. Aen. 8), bie Einwohner ber Stabt Barce in Cyrenalka, weitlih von Aegypten.

Barce (Ged. 4.3. d. Yen. 114), die Amme bed Sichaͤus.

Barde (Ged. Die deutihe Muſe). Die „Barden“ waren die Dichter der celtiichen Vollsſtaͤmme (deren Reſte die nicht franzöfifch redenden Bewohner der Bretagne in Frankreich und die nicht engliich redenden Bewohner von Wales, Hochſchottland und Irland bilden), während die Sänger ber norbifchen, ger- mantfhen Stämme „Stalden“ hießen. Cine Verwechſelung führte im 1Sten Jahrh. dazu, auch die altdeutichen und dann, im feterliden Style, jeden Dichter höherer Art fo zu nennen und durch Klopftod befonder® wurde der Name jehr gebräud- id. (Gr. d. W. nennt das „Bardenunfug“.) Man ftellte näm- lich ein altes, von dem römijchen Gejchichtichreiber Tacitus (f. d.) überlieferted Wort baritus oder barditus, welches „Schlacht: geſchrei“ bedeuten foll, mit dem celtiihen Worte zufammen. Klopftod behält dad Berbienft, die vaterländiiche Götterlehre dem Bewußtjein der Gebildbeten wieber nahe gebracht zu haben, Mipgriffe waren unvermeidlih; Sch. (f. unter Walhalla) und Goethe beachteten dieſe Richtung wentg.

Barfüßer (Gſtſ. 10, 137), Mönche, die ftatt der Schuhe bloße Sandalen oder auch gar Feine Zußbefleidung tragen. Sie bilden innerhalb der Orden der Auguftiner, Yranziöcaner und Karmeltter befondere Eongregationen (Berbrüberungen).

Birlappenmehl Baron. 57

Bärlappenmehl (R. I, 2) oder Bärlappfamen, daß blaß- gelbe Pulver der Früchte einer kryptogamiſchen Pflanze, bes gemeinen Bärlapp8 (Lycopodium clavätum). &8 ift aud) unter tem Namen Herenmehl oder Bligpulver bekannt, brennt, in Ucht geworfen, mit raſch auflodernder Zlamme und wird in den TIhentern gebraucht, um den Blig darzuftellen.

Barmberzige Brüder (W. T. IV, 3), ein Orden, der im Sabre 1540 durch Giovanni di Dio geftiftet worden, welcher unter Karl's V. Fahnen in Afrika gefochten hatte. Sie traten zuerſt in Spanien auf, kleiden fich ſchwarz und haben die Ber: faffung eines Bettelorbens; fie haben Hofpitäler zur Aufnahme

von Kranken und fammeln Almofen ein, von denen fie die Er: haltung ihrer Anftalten beftreiten. Außerdem gehört die Sorge für Berunglüdte, ſowie die Beitattung Erichlagener zu ihren Pflichten. Die Einführung der barmberzigen Brüder in ben W. T. ift ald ein Anachronismus zu betrachten.

Barnabit (M. St. III, 8). Die Barnabiten waren ein im Fahre 1535 zu Matland entflandener geiftlicher Orden, ber feinen Ramen von der ihm eingeräumten Kirche bed heiligen Barnabas trug. In Frankreich bediente man fi} ihrer ehemals zur Belehrung der Proteftanten.

Barometer, ein bekanntes Suftrument zum Meſſen bes Luftdrucks; bildl. „Barometer der Seele” (K. u. 2. IN, 1), etwa ſo viel wie „bie verjchiedenen Außeren Anzeichen, an denen man

die Seelenftimmung eined Menſchen erkennt.”

Baron (Mcb. 1,8), nah Gr. d. W. ein erft im 17ten Jahr⸗ hundert aus dem frzſ. baron in's Deutfche aufgenommenes Wort, welches möglicherweije allerdingd urfprünglich dem Deutichen entflammt. Die frembartige Betonung der legten Silbe beweift aber, daß es uns erft aus ber Fremde wieder zugelommen tft. Barım iſt ein Freiherr oder (K. u. 2. I, 1) vornehmer Abeliger: Keichsbaron (Geb. D. berühmte Frau), ein Baron, ber nur von dem Kaiſer und nicht von einem andern Zürften abhängig ift.

58 Barthelemi Baſilisk.

Barthelemt (M. St. IH, 4), die fogenamnte Bartholomäuß ; nacht oder die Pariſer Bluthochzeit, am 24. Auguft 1572, m welcher auf Anftiften der Katharina von Medicis, der Mutter des minderjährigen Karl-IX. (1560—74) Zaufende von Huge notten meuchelmörderifch umgebracht wurden, die zur Vermählung Heinrih8 von Navarra, des jpäteren berühmten Königs Hein⸗ rich IV. von Frankreich (1589 1610), mit Margarethe von Valois, der Tochter Katharina's, nach Parid gekommen waren.

WBaſilisk, ein Ausdrud, der zunächft an eine Stelle bes alten Teftamentd erinnert, wo ed Jeſ. 59,5 beißt: „Ste brüten Bafillsten: Eier und wirken Spinneweb. Sfiet man von ihren Eiern, fo muß man fterben; zertritt man's aber, fo fähret eine Dtter heraus.” Auf diefe und einige andere Stellen (3ef. 11,8; 14, 29; Ser. 8, 17) gründet fi eine Fabel, derzufolge man ſich den Bafilisk (eigentl. griechiſch „Heiner König“) ald ein drachen⸗ ähnliches Thier mit einer Krone auf dem Kopfe vorftellte, das aus Hahneiern auögebrütet worden, und befien Blid allein [yon tödtlich fein ſollte. Mit Anfpielung auf diefen Volksglauben ſpricht Amalia (R. II, 1) von Bafiliäfenanblid; ferner heißt es (M. St. III, 4):

„Und Du, der bem gereizten Baftlist Den Morbblid gab, leg’ auf die Zunge nıir Den gift'gen Pfeil” eben fo (Ged. D. Kampf m. d. Drachen): „Da bäumet ſich mein Roß und fchenet An feinem Bafilisfenblid. Ferner fagt Wallenftein in Beziehung auf den Octavio Picco⸗ lomini (Wft. X. IH, 18): REN „Ich 308 Den Baftlisfen auf an meinem Bufen.* und (Dr. v. M. 5, 490) fagt Ifabella in Beziehung auf ihren Sohn Don Cäfar: „Einen Baſilisken Hab’ ich erzeugt, genährt an meiner Bruſt, Der mir den beffern Sohn zu Tode flach."

Baſta Battenx. 59

DaB Thier, welches die Naturgefihichte unter dem Namen Bafttist kennt, ſcheint mit dem tn ber Blbel erwähnten nichts gemein zu haben; daß leptef® war vermuthlich eine Schlange

Buſtua, von bem tal. bastare, genug fein; (8. u. L.], 1) es ft genug. (Par. V, 8) Genug hiervon.

Baſtard ift ein außer ber Ehe erzeugtes Kind, wie (J. v. O. Preol 3) Graf Dunoid; Baſtardtochter wird (M. St. I, 6) Elifabeth, die Tochter Heinrich's VIII. (+ 1547) und der mit

ihm heimlich vermählten Anna von Boleyn genannt, weil der König die lebtere .erft wenige Monate vor Eliſabeths Geburt Bfferitlich als feine Gemahlin erflärte, nachdem er kurz zuvor ſich von feiner früheren Gemahlin, Katharina von Aragonten, Uutte fcheiten laſſen. Als er fpäter, weil er ſich männfiche Nach⸗ tommenfhaft wünjähte, feine Neigimg der Johanna Seymour zumanbte, ließ er Anna Boleyn enthaupten und erflärte deren Tochter für unberechtigt zur Erbfolge.

Da ER. L. 7), eine alte Form für befix, Or. d. W. fept zu unſerer Stelle tn Parenthefe „tüchtig”; es ſcheint Die einzige beiSch. ſich findende Stelle zu fein, aus Gorthe giebt Gr. d. W. Deren fünf.

Batavia (gr. Handl. a. d. n. Geſch. 10, 86), eine beden⸗ tende Stadt auf ber Nurbweiftüfte von ren, die Refidenz bes Generalgonverneurd der niederländifchen Beſitzungen in Indien.

Batteur (R. Borr.), 1713—80, ein franzoͤſiſcher Kunftrichter, der tm 18ten Jahrhundert ein außerordentliched Anſehen hatte, fo daß fein Name, wie im fpäteren Alterthume ber des Ariſtarch (ſ. d.), beinahe fprüchwörtli wurde. Sein Hauptwerk war eine Ab⸗ hanblung: „Les Beaux-Arts röddits & um möme prineipe“, D. i. ‚Ueber die Zurückführung ber ſchönen Klnfte auf ein eimziges Prinzip, von Ramler als „Snleitung ıtn bie ſchoͤnen Wiſſen⸗ fdheften” wiedergegeben. Ein Stück wie bie Räuber mußte eben in feiner faft wilben Urfprünglichkeit über die „allzu engen Dalltfaden des Ariftoteles (f. d.) und Batteux“ kühn hinweg

60 Baum Beichtiger.

flürmen, Wer fih von dieſen Pallifaden und den Grundfäpen des Batteur einen Begriff machen will, ohne zu dem jetzt ven geflenen Buche zu greifen, vergfiche den Bau der von Sch. überfegten Phädra mit den Räubern und unjere Bemerkungen zu bem erfteren Stüde.

Baum, Der fingende (Tur. II, 1), j. Waſſer, das tanzende.

Bazar (Br.v. M. 5, 417) oder Bafar, per. im Morgen Iande der Markt, oder eine Straße, in welder die Kaufleute ihre Gewölbe haben.

Befehlbuch (R. 1, 2), dad Bud, in welches bie Verord⸗ nungen ber Behörden eingetragen werben; bildl. wird (Wſt. X. 11) der Wachtmeifter fo genannt, weil er dad Buch, in welchem die Berhaltungdregeln der Soldaten zufammengeftellt find, gewöhn⸗ lich auswendig Tann.

Begegnung, Die (Ged.), ein Gedicht aus d. 3. 1797, wo es in den Horen zum erften Mal abgebrudt wurde. Die Form bdeffelben tft die der achtzeiligen Stange; über die Perjon, an welche ed gerichtet tft, weiß man nichts. Da es in trefflicher Weile den Anfang der klaſſiſchen Periode unfered Dichterd be⸗ zeichnet: jo thut man vielleicht nicht unrecht, wenn man ſich Die Poeſie als die Geltebte ded Dichters denkt, die ihm bier zum ertten Male, wie Goethe in feiner „Zuneigung“ in ihrer ver: Härten Geftalt erfcheint, und fich zugleich auf's innigfte mit ihm vereinigt; denn Sch. war damals ſchon fieben Jahre ver: heirathet.

Beichtiger (D. C. I, 1), gew. Beichtvater (8. d. H.), d. h. derjenige Geiſtliche, welchem dem Gebrauch der Eatholifchen Kirche gemäß Jemand von Zeit zu Zeit dad Belenntnig feiner einzelnen Bergehungen (daher K. u. %. II, 6, bildl. Beichte) ab⸗ zulegen pflegt; der Beichtende felbft wird Beichtkind (Sp. d. Sch.), ein Mönd, der die Beichte abnimmt, (Wfl. T. V, 2) „Beichtmönch“ genannt.

beilegen Beloͤſero. 61

Beilegen. Nah Sander's Wörterbuch heißt „bie Segel beilegen " fo viel alö biefelben eintreffen, und „bas Schiff bei- en” |. ». w. „die Segel fo fielen, daß das Schiff liegen bleibt“. Nah Gr. d. W. heißt „das Schiff legt bei“ gleich: zeitig |. v. als „es hält gegen den Wind, in der Schifferſprache auch richt, dreht bei“, d. h. es ftellt Die Segel fo, baß einige ben Wind von hinten, andere von vorn empfangen, wodurch die Fahrt beidleunigt wird. Die Stelle (W. T. I, 1): „Wenn ihr frifch beilegt, holt ihr ihn noch ein” ift nicht anders als höhniſch zu verſtehen, d. 5. Reitet in ben See hinein und macht es wie die Schiffer, bie durch „beilegen” fchneller vorwärts kommen und ſomit ein anbered Boot einholen können An ein Serum: reiten um den ganzen Urnerjee, defien fteile Ufer dies überhaupt unmöglich machen, kann hier füglich nicht gebacht werden. Belebende, Das (Ged.), ein Epigramm aus dem Sabre 1796, nichts als ein Sinnbild enthaltend, deſſen Deutung dem Zejer überlafien bleibt. Nur aus der Blume Tann die Frucht, und mit diefer der Keim zu einem neuen Leben fidh entwideln. Eben ſo kamn auch auf dem geiftigen Gebiete nur eine ſchöne Schöpfung, die den Menſchen in ber Geſammtheit feiner Geiſtes⸗ träfte ergreift, ein neued geiftiged Leben entzünden.

Belialsſtreich (R. IV, 5). Bellal, aud dem Hebräifchen, iſt zunächft ein böfer Menſch, ein Taugenicht3; in der Bibel: prache (Pi. 18,5; 2. Sam. 22, 5; 2. Cor. 6, 15) tft Belial ber Höllenfinft, und „Kinder Belials“ (5. Mofe 13, 13; 2. Chron. 13,7) find Kinder der Bodhelt. Ein Belialöftreich (oder Belials⸗ tie, 5. Mofe 15, 9) tft alfo ein ſataniſcher Streich.

Bellona, lat. von dem Worte bellum, d. i. Krieg, daher bet ben Römern die Göttin des Krieges; (%. V, 1) der Name eines Kriegsſchiffes.

Beloſſero (Dem. I, 1), ruſſiſch, d. i. der weiße See, ſüd⸗ Hd vom Onega⸗See. Dad an demſelben gelegene Kloſter wird yon neueren Geſchichtſchreibern das troizkiſche genannt.

62 Belt Berglied. Belt (Bed. Die berühmte Frau Bicc. 1,7 Bil. T.L5)

der poetiſche Ausdrud für And Baltiiche Meer oder Die Oftſee;

perſonificixt, d. 5. ald Meergottheit gedacht (H. d. 8.):

„Die ftolge Siottenwüftung feiner .Brafte.

Erſchrockt den alten, Belt. in ſeinem Meerpalaite.“

Benedicetiner (Sftf. 10, 143 u. 227). So heißt einer der

berühmteften Monchsorden, gegründet von dem: heiligen: Bene dittus von Nurſia, welcher 528 dad noch jetzt beſtehende Kloſter auf dem Monte CGaſino im Reapolitaniſchen ſtiftete. Seine epochemachende Klofterregel wurbe im ganzen Abendlande maß⸗ gebend. Die⸗Benediktiner zeichneten: ſich, beſonders in Frankreich und Italien, durch eine wahrhaft bewundernswuͤrdige literariſche Thaͤtigkelt aus; un travail de Bénédjotin iſt im Frzſ ſprũch⸗ wörtlich für eine wifſſenſchaftlicho Arbeit, die eiſernen Fleiß erfordert.

Benefiz, lat, wörtl. Wohlthat; ferner Begünſtigung, Bor- recht; in etwas erweitertem Sinne (Picc. I, 2): geiſtliche Pfründen.

Berglied (Ged.), aud dem Sabre 180%, als Sch. ven, Tell dichtete. Man vergleiche die vorletzte Scene des fünften Aftes, in welder W. Tell dem. Barrictda die „Schredensitraße“ bes Tchreikt, die er durch das Thal der Neuß über den St, Gott- barbt (vergl. d.) wandern joll, um nad Stalien 34 kommen, Beide Darftellungen find um jo, mehr zu. bewundern). als Sch. mit der Gegend nur dur) Beichreihungen bekannt geworden fein konnte. Str. 1: „Der ihwindlichte Steg” iſt der Weg, der an bem rechten Yeldabhange des Reußthales binaufführt; „die Riefen“, die mächtigen Pelsmaffen, welche fich immer enger zufammenbrängen; „die ſchlafende Löwin“ ber Anmerkung zu: folge die noch ruhende Lawine Str. 2: Die fogenantte Teufelab ruͤche führt von dem vochten auf dad linke Ne ber Reuß, die Gier: 2800 Fuß (darunter 100 Fuß ſenkrecht) hevebſtuͤrzt und den Pfad über die Brücke fortdauernd mit Waſſerſtaub

berichtet Bernhard, 68

benedt (vergl. Brüde, welde ftäubet). Str. 3: Das „Ichaurige Thor” ift das fogenannte Urner Loch, ein im Sabre 1707 durch den Zellen gehanener Stollen von 200 Fuß Linge, deu in Das Urferen Thal nach Andermatt führt. Str.4: Die vier Ströme find: vie Neuß, der Rhein, der Teffin und ber Rhone, beren Dmuellen bi jegt unerforfcht find. Str. 5: Die „zwei Zinken“ find die höchſten Spitzen ded Gotthardtgebirges (j. d.), zwiſchen denen bie Straße nad Stalien, zunähft nach Wirolo hindurch⸗ führt. Str. 6: „Die Königin“ ift der höchfte, ewig beeijte &ipfel bed weit verbreiteten Gebirgöftod.

beriätet (W.T. IV, 1), „des Fahrens nicht wohl berichtet”, d. 5. des Yahrwaflerd unkundig. Gr. d. W. führt aus Sch.'s Proſa auch an: „nur in feiner Politit ſchlimm berichtet” und jest in Parenthefe: mal informe.

Berlas, |. Turandot.

Bein (B. T. IV, 2), bie Hauptftabt des ſchweizeriſchen Santons gleihed Namend und der Vorort der Schweig Sie ftegt auf einem hoben, fchmalen Zellen, den die Yar 100 Fuß tiefer faft ganz umſpült. Wir machen aufmerkſam auf bie Ber: wendung des weibliden Artifelöe: „Die ebla Bern erhebt ihr herrſchend Haupt.” „Die rege Zürich waffnet ihre Zünfte*, wodurd bie beiden Städte in ſchöner Weiſe perfonificirt werden. Ferner bemerken wir, daß die Erwähnung Bern Dem flerbenden Seher angehört, denn Bern iſt erſt 1353 dem Schweizerbunde beigetreten, Züri 1351

Wermbard, Herzog von Weimar (Ber. II, Tu IV, 5),

geb. 1604, Sohn des Herzogd Johann von Sachſen, vereinigte fh, nachdem er in holländiichen Dienften eine tüchtige Kriegs⸗ ſchule durchgemacht, mit Guſtav Adolph, als diefer nach Deutſch⸗ land lam. Nach des großen Königs Tode wurde ihm von Dpenftierna (j. d.) ber Befehl über die Hälfte des Heeres au» veriraut, mit dem er Bamberg, Kronach, Hächftädt und Gichſtaͤdt eimahm; Daher (Picc. IL, 7):

64 Beroẽ Beſuch, nächtlicher.

„Indeß der junge Weimariſche Held In's Frankenland unaufgehalten drang.” Hierauf Tämpfte er fiegreih am Rhein; daher (Picc. IV, 4): ‚Der Prinz von Weimar rüftet fi mit Kraft, Am Main ein mächtig Fürſtenthum zu grünben.” Nah Wallenſtein's Tode fehte er den Krieg noch energifch fort, ftarb aber bereit3 1639, möglicherweife an Gift. Mit ihm ver- Ioren die Proteftanten eine ihrer mächtigften Stützen. Sm Dr. Kr. erwähnt ihn Sch. ©. 330, 339, 369, 370, 373, 376, 377, 401 —19, 422, 439, 442, 443, 445 unb dharafterifirt ibn 446. *

Berdẽ (Ged. Semele), die Amme ber Semele.

Beſtie, von dem lat. bestia, eig. (R. IV, 5) ein wildes Thier; bildl. 1) ein grimmiges Thier (R. ,,2 V. a. v. E.), wie auch der Cerberus (ſ. d.); 2) ein gemeiner, nichtbwürdiger Menſch RL2— F. 1, 9). beſtialiſch (R. II, 3), roh und viehiſch.

Beſtimmung, die verſchiedene (Ged.), ein Epigramm aus dem Jahre 1796. In die Sorge für die leibliche Erhaltung des Menſchengeſchlechts theilen ſich unendlich Viele, während ſich nur Wenige an der Sorge für ſeine geiſtige Fortbildung betheiligen. Die erſteren liefern gewiſſermaßen nur das Material, aus welchem Gefäße des Geiſtes gebildet werden können; ſo wie "auch eine Menge von Samenkörnern dem Zerſetzungsprozeſſe anheim fallen und in die chemiſchen Urbeſtandtheile der organi⸗ ihen Welt fih auflöfen, während nur eine geringe Anzahl ihre eigentliche Beftimmung erreicht, Keime eines fich fortentwideln- den Lebens zu werben.

Beſuch, naͤchtlicher (W. T. II, 2). Ein uralter Gebrauch in der Schweiz iſt der ſogenannte Kiltgang, ein naächtlicher Beſuch des Liebhabers in der Schlafkammer feines Mädchens, wobei ed übrigens durchaus ehrenhaft zugeht, und Freiheiten, die man ſich öffentlich nicht erlaubt, weder genommen noch

Bibel. 65

geftattet werden. Daher nimmt auch ber junge Melchthal keinen

Anftmd, in Gegerrwart der verfammelten Landögemeinde davon za \prehen. Etwas ganz Aehnliches berichtet aus Wales in keinem reizenden Bude: „Ein Herbft in Waled” (Hannover, 1858.) Zulind Robdenberg, ©. 66.

Bibel. Nächft den Quellen, aus welchen der Dichter pofitive Thatjachen ſchöpft, um fie im erzählenden Gedichte oder im Drama darzuftellen, gigbt ed noch eine andere Art von Quellen für poetiiche Anſchauung, denen man biöher weniger nachgegan: gen tft, als jenen erften (ſ. Bürgfchaft). Durch geheime Wahl: verwanbtichaft fühlt fich der Dichter zu beftimmten Sphären bes Phantaftelebend, wie es ſchon vor ihm poetifch verförpert wurde, ummiberftehlich oder wenigftend überwiegend hingezogen; fo Sch. zum Leben und zu den Anfchauungen bed griechiichen Volksgeiftes wie er bejonderd in der Mythologie fich dargeftellt bat. Da num aber, nädhft Griechenland, der jüdiſche Orient im X. und NR. T. für die Poeſie des Mittelalterd und der Neueren Zeit bie unerfchöpflichfte Duelle geworden tft, fo fragt es fih, ob Sc. denn in gar feinem Berbhältnik zu diefer legteren geftanden bat, woran fi weiterhin naturgemäß auch die Frage nah Sch.'s Stellung zum Chriftenthum und zur Religion überhaupt knüpfen würde. Anderen Dichtern find foldhe Unterfuhungen fchon zu Theil geworben. So tft Shakeſpeare's reiche Bibelkenntniß nach: gewiejen in dem englijchen Werfe: On Sh.’s knowledge and use of the Bible by Wordsworth. London, 1364. Eine vergleichende Charafteriftit Sch.’3 und Goethe's würde auf diefen Punkt Rüd: ficht nehmen müflen. Daß Sc. in feinen Kinderjahren bejon- derd gern aud der Bibel Iejen hörte, jagt und Palleske. Wir erfahren fogar aus einer Erwähnung in einem Briefe ſeines Baterd (von 1790), daß er im breizehnten Jahre ſchon einen Verſuch zu einem XTirauerjpiele „die Ehriften” gemacht hatte. Weiterhin wirkte Klopftol’d8 Meſſias mächtig auf ihn, umd ber Plan zu einem Gedichte „Mojed“ war in ihn entftanden. Der J. b

66 Bibel,

weitere Verlauf feiner Erziehung, der pietifttfche und auch ber in Formeln kramende damalige religiöfe Standpunkt follte jedoch, wenn auch nicht wieder auslöfchen, fo doch in feiner höheren dichterifchen Triebkraft erjtiden, wa8 bie Hand einer gültigen und finnigen Mutter im zarten Herzen ded Kindes auögefäet hatte. Die Eindrüde waren freilich zu ftark und zu vielfältig geweſen, als daß die erften größeren poetifchen Verſuche nicht Zeugnig davon abgelegt hätten, und fo findet fich gerade in den „Räubern“ eine nicht unbedeutende Zahl biblifcher Anjpielungen, wenn auch bedingt durch die Einführung des „Paftor Mofer” in dieſes Stüd und durch die Heuchelei des „Yranz Moor”, wo aber das Cine eben das Andere trägt. Die freiere Richtung, die fhon im Bunde mit 3. 3. Rouffeau (f. dj.) und fpäter auf Grund eigener philofophifcher und gefchichtliher Speculation gewiß auch ber vorhergehenden mebicinijchen Studien, beren materialiftiiher Widerhall in den „Räubern“ nicht zu verfennen tft, Sch.’8 geiftiged Leben genommen hatte, entriß ihn dem Zus ſammenhange mit der Bibel, und es ift nicht unintereffant, zu fehen, wo und wie fie ihm wieder nahe trat, Wir möchten be- baupten, daß äußere Anregung, aus Anlaß einer gejchilderten Situation, hier hauptfächlich gewirkt bat. Gerade in ben Ipri- ſchen Gedichten findet jich nur weniges Biblifche, die „Capuziner- predigt” (in Wit. L.) aber möchte einen ber bedeutenditen Bei- träge zu den bibliichen Erinnerungen liefern. Ebenfo die Beicht: jcene in „Marie Stuart”. Wer died zum Gegenftande weiterer Betrachtung oder Forſchung machen will, leje folgente Artikel: Abbadonna, abe, Abraham's Schooß, Abjalon, Adramelech, Ahab, Apoitel, Arche, Baſilisk, Beltal, Sana, Cherub, David, Ebräer, Eden, Eliefer, Goliath, Hermon, Herodes, Hiob, Horeb, fat, Sichariot, Jakob, Jehovah, Jeſu, Jerobeam, Jeruſalem, Jeſabel, Johannes, Joppe, Jordan, Joſeph, Joſua, Judas, Libanon, löſen, Loth, Mammon, Mann Gottes, Moloch, Moſes, Paläſtina, Petrus, Pfund, Pharao, Phariſäer, Prediger, Sad⸗ ducher, Salomo, Samuel, Satan, Saul, Schlüffel, Schooß ber

Bibel. 67

Kühe, Seraph, Steben Heilige Zahl, Sinai, Synebrium, To: Bad, Topf, Töpfer, WBierfürft.

Bir machen jedoch daranf aufmerffan, daß Sch.'s Anfüh- rungen ntichieden auf eine eindringendere Keuntniß der Bibel himmeiln und daß er den Ausſpruch, welcher dad A. T. al en Handbvuch des Erhabenen bezeichnet bat, wohl zu würbigen wußte. Obwohl Sch. es ſich nicht verfagt, griechiſche Mythologie und bibliihe Erinmerungen nahe zufammen zu bringen, weiß er dod mit feinem Verſtändniß der Situation gemäß zu wählen. So erimert fi V, 11 die Zungfrau, als fie ihre Feſſeln brechen will, in einem herrlich ausgeführten Bilde „Simfon’3*, Sfabeau wird 1,5 mit der „unmatürlihen Mutter” vor dem Richterftuhle Salomon’ vergliden; der alte Erzbifchof, welcher in der Jung⸗ frau die Retterin Frankreich! fieht, erinnert in feinen Worten

ar eine der fchönften Scenen des N. T. Luc. II, 22—38. D. @. U,2: „Bad fragt ein Miethling nad dem Königreich.” Der Traum Thibaut'8 (3. Prol. 2) ift wohl dem biblifhen Traume Joſeph's nachgedichtet. Der Großinquiſitor erſcheint D. E.V, 10 wie der Schatten Samuels; die erhabene Geftalt des Mofes und das Wunder, in weldem dem Felſen lebendiged Waſſer ent- Ttrömt, werben öfter erwähnt 3. Prolog D. &. III, 2; M. St. V, 7. Natürlich findet fi) auch dad, was jo vielfach felbft im täglichen Leben verwerthet wird, wie Anjpielungen auf Zubas und „pen falſchen Bruderuß” M. St. TV, 10, die „Schlange, welche die Yerfe fſticht“ W.T.IV,7. W. Tell V, 1 Ende: „ſaͤen und ernten”, J. v. O. III, 4: die „Kleingläubigen“. M. St. V, 6: „das beffere Theil”, I,7: „der Schatten des Oelbaumes“, V, 11: „fteht die Some feſt“, im Andenken an Joſua; fo auch ganze Sprüde, wie im Munde Illo's W. T. IV,7: „Wer nicht ift mit mir, ber ift wider mid”; |. auh M. St. V, 6: „dad Wort ift todt”, ®. Tell II, 2: „Dem Kailer bleibe”, R. J, 1: „Aergert Dich Dein Auge”. Chriftus felbft wird M. St. J1, 6: „der er: habene Prebiger des Berged” genannt, Gott heißt D. @. II, 2: „ber Dreimalheilige". : 5

68 Bibel, chaldätfhe Bicktre.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß Sch. zu verjchie denen Malen hinreißende Schilderungen des Tatholifchen Gottes: dienfteö gegeben bat, fo in M. St. I, 6 im Munde ded Con: vertiten Mortimer V, 11 in der Beichticene Marie Stuart’s, fo wie in der Braut von Meffina in Don Ceſar's Munde die Schil- derung der Zeichenfeierlichkeit; hierher gehört audy der Eiſenham⸗ mer und ber Kampf mit dem Draden. Daneben ftellen ſich nicht unbebenflih, wenn auch nur von Mortimer fo bezeichnet: „ber Puritaner dumpfe Predigtftuben“, zumal da in dieſem Stüde die geichichtliche Perſpektive doch zu ſtark vom Dichter verſchoben fein dürfte.

Sch.'s Stellung zu ber Geſchichtlichkeit der Urkunden des 4. T. Hat er jelbft in feiner „Sendung ded Moſes“ binlänglich Har gemacht. Daß er tropdem im höheren Sinne religiös war, tft in ſich ſelbſt Mar; nicht umfonft bat auch Goethe gefagt, „es fei etwas von der Chriftuänatur in ihm geweſen“, und jo mögen denn auch bie vielfachen Berfuche, welche man gemacht bat, Sch. wie auch Goethe mit dem pofitiven Chriftenthum zu verfnüpfen, denen vorzuziehen fein, welche einen Geift von dieſer Tiefe als gleichgültig oder gar feindfelig gegen die tieffte und nachhaltigfte geiftige Bewegung aller Zeiten darftellen möchten, ſ. Kleinert, SHh.8 religiöfe Bedeutung; Berlin, Wiegandt und Grieben, 1866. (6 ®r.)

Bibel, chaldäiſche (Sftf. 10, 145). Einzelne Abfchnitte im A. X. find allerdings chaldäiſch, d. b. in einem dem Hebrät: Ihen verwandten femitiihen Dialekte abgefaßt; in jene Scene des Geiſterſehers aber gehört eine vollftändige chaldäifche Bibel deöhalb, weil bie Chaldäer ſchon im Alterthume, jo auch noch zur Zeit der römiſchen Katjer, als Zauberfünftler und Weiffager berühmt waren. Das erjehen wir unter andern aus zahlreichen Stellen des Tacitus (f. d.)

Bicktre (KR. u. L. IV, 3), ein von Ludwig XIH. in ber Nähe von Paris erbaute Schloß, welches anfangs zum Aufenthalt für

Bild, das verſchleierte. 69

die Suvaliden beſtimumt war, fpäter (unter Ludwig XIV.) in ein Hofpital verwandelt wurde.

Bild, das verfäleterte, zu Sais (Ged.), eine Parabel aus dem Sahre 1795, in ungereimten fünffühigen Samben, dem Berdmaße ded deutichen Trauerſpieles. Der Dichter hat biefe Form jedenfalld abfichtlih gewählt, da der Stoff eine freiere Bewegung verlangte. Er konnte auf diefe Weiſe der Erzählung die nöthige Sebrängtheit geben, bie einzelnen mitwirkenden Per- fonen leichter redend einführen und den Dialog mit einer gewiflen Ungezwungenbeit behandeln. Daber erinnert denn nicht nur der Inhalt, fondern au bie Form bed Gedichtes lebhaft an bie Parabel von den drei Ringen in Leſfing's Nathan. Wenn Sch., dem ber Reim fo leicht zu Gebote ftand, den mufilalifchen Reiz deffelben hier zurũckwies, fo hat er und dafür auf andere Weiſe reichlich ſchadlos gehalten. Bor allem überraſcht und die Tiefe der Gedanken im Berein mit den glänzenden Bildern, und eben fo ber rafche Fortſchritt der Handlung, unterftüßt von dem höchſt auddruddvollen Satzbau. Bekanntlich verträgt die Parabel mr ein geringes Maß von Schmud. Derfelbe tft nicht nur da, jon- dern aud fo angebracht, wie ed die Würde diefer Dichtungbart verlangt. Das Gleichniß von dem Tone aus einer Harmonte und einer Farbe aus dem Regenbogen (vergl. Iris) iſt in dem Munde des feurigen Zünglings eben fo treffend, wie die Stei: gerung in ben Berfen, weldye fein nächtliche Eindringen in die Rotonde des Tempels ſchildern, von tief ergreifender Wirkung if. Der Stoff zu diefem Gedichte ift vermuthlich aus Plu⸗ tarch entlehnt, und zwar aus einer Schrift über Iſis und Oſtris, in welder von dem Heiligthum der Iſis (f. d.) folgende In⸗ Ichrift angegeben wird: „Ich bin dad AU, das geweſen ift, das ift und das fein wird; noch nie hat ein Sterblicher meinen Schleier aufgebedt” (vergl. Jehovah). Der Schauplap ber Be- gebenheit ift Said, Die alte Hauptftabt von Unterägypten. Was die „geheime Weisheit” ober Die Myſterien betrifft, deren Ent- ſtehung bie Griechen, wenn auch ohne Grund, jelbft gern aus

70 Bid Birman.

Aegypten berleiteten, wie jo manches Andere, um fi) mit bie- jem Lande uralter @ultur in Verbindung zu bringen, jo war ber Zwed derſelben wohl nichts Anderes al Aufklärung über gewifie Mythen unb Religiondgebräuche, deren eigentlichen Sinn man aus politiichen Rüdfichten dem Volke verborgen zu halten für gut fand. Und allerdings tft ein gemwifler Grad von Bil: dung durchaus erforderlih, um tiefere Wahrheiten in abftracter Weiſe zu erfafien, während biefelben dem ſchwächeren Verſtande nur in bildlicher Einfleidung nabe gelegt werben Fünnen. Die Parabel verfährt jelbft auf dieſe Weife, indem fie das ſymboliſch vorträgt, was erjt bei reiferer Erkenntniß intellectuell oder mora- Kich gefaßt werden kann. So ließ man auch in den Eleuſini⸗ ſchen Myſterien diejenigen, welche in diefelben eingeweiht werden jollten, gewiffe Grade durdlaufen, um fie nad) Maßgabe ihrer bargelegten Erkenntnißkraft oder ihrer fittlichen Würdigkeit all- mälig mit ben Geheimlehren befannt zu machen. Hieraus erhellt denn auch die Grundidee bed Gedichtes. Alle tiefere Wahrheit muß erworben, errungen, erfämpft werden. „Was Du ererbt von Deinen Vätern haft, erwirb es, um es zu beſitzen“ (G. Fauft 11, 31). Dieſes ftufenweife Fortfchreiten in unferer geiftigen und fittlihen Entwidelung läßt fich nicht ungeftraft überipringen, wir follen eben „verflärt werden von einer Klar- heit zu der andern“ (2. Cor. 3, 18). Wer auf unrechtmäßigem Wege rafcher zum Ziele gelangen will, der bringt ſich um feinen inneren Frieden, wie unfere Ureltern dad Paradies verloren haben; oder der Hochmuth führt feinen Yall herbei, wie es die Sage von Fauſt darftellt, der den letzten Zwed des Lebens allein in der Erfenntniß zu finden vermeinte. Gewiſſe Dinge bleiben auch dem tiefften Denker verborgen; der lebten und höchſten Wahrheit darf er nicht Anderes als feine Demuth entgegen bringen. „Wer e8 faflen kann, ber fafſe es!“

Birman (Mich. IV, 4), ein Berg in der fchottifchen Graf: ſchaft Perth, der zu Macbeths Zeiten Gerichtöplag geweſen fein ſoll.

Biſchofshut Blumauer. 71

Biſchofſhut, Biſchofsmütze (Picc. IV, 5), beit bie eigen: KHamlich geftaltete Kopfbededung der Bilchöfe der katholiſchen Kirche, beſtehend aus zwei großen, oben ſpitz zulaufenden Blaͤt⸗ tern und vorn mit einem Kreuze geziert. Die Verleihung ber Biſchofsmütze ift wie die des Cardinalshutes (vergl. Carbinal) ein Borrecht ded Papfted. Wenn es (W. T. V, 1) von Kaiſer Albrecht in Beziehung auf feinen Neffen heißt:

„Der Kaiſer hielt das väterlihe Erbe

Dem ungebuldig Mahnenden zurüd!

Es hieß, er denf ihn ganz darum zu füurzen,

Mit einem Biſchofshut ihn abzufinden.” Jo bezieht fich dies auf den Einfluß, welchen die Kaifer bei Ber: leihung der betreffenden Würbe gelegentlich audzuliben vermod: ten, wofür fie den Papfte dann andere Gegendienfte erweifen mußten.

Blajewig, ein Dorf fübl. von Dreöden, auf dem linten Elbufer.

Blaͤſier (K. u. L. I, 2), verd. aus dem frzi. plaisir, Das Vergnũgen.

blaue Göttin (Br. v. M. 5, 421), dad Meer (ſ. poetiſche Umschreibung).

Bleidächer (Gftſ. 10, 155), ital. piombi, die berüchtigten Staatögefängniffe in dem ehemaligen Dogenpalafte zu Venedig. Sie lagen unmittelbar unter dem mit Blei gededten Dache, fo daß die Gefangenen eine unerträgliche Hitze auszuhalten hatten.

Blumauer (Ged. Vorerinnerung zu den „Metrijchen Ueber: fegungen”). Aloys Blumauer, geb. 1755 in Oberöfterreich, + 1798, befannt durch zahlreiche, im Geiſt der Bürgerjchen Mufe ver: faßte Gedichte, die 1781 in dem Wiener Mufenalmanady er: Schienen. Er ift reich an Wiß und drolligen Berdrehungen, die indeg oft in niedrige Späße audarten. Durch feine „traveftirte Aeneide” (f. Aeneide) (Schw. Hall, Haſpelſche Buchhandl.), die 1784 erſchien und fpäter noch mehrere Auflagen erlebte, zog er fich Sch.'s Unwillen zu.

72 Blumen Boten.

Blumen, Die (Ged.), ein Meines, zu dem Kreis der Laura⸗ lieder (f. d.) gehörige Gedicht, das früher den Titel Meine Blumen” führte und durch die jpätere vortrefflich gelungene Um⸗ arbeitung bie gegenwärtige Geftalt erhiel. In einer (Str. 1) an bie Blumen gerichteten Anrede preift der Dichter die Vor- züge berjelben, beflagt es indeflen, daß die Natur ihnen Seele und Empfindung verlagt habe. Eben fo iſt (Str.2) ihnen das Gefühl der Liebe verfagt, während fie Doch der Liebe (ber In⸗ fectenwelt) eine Zufluchtöftätte gewähren. Endlich (Str.3) werden fie den Liebenden unter den vernünftigen Wefen zu einer ſymbo⸗ Itichen Sprade; Amor, „der mächtigſte der Götter” wohnt in ihnen.

Blutbann, |. bannen.

Böheim, der ehemalige Name für Böhmen, eine Ber: deutfchung des latein. Bojohemum. Die Herzöge von Böhmen nahmen fpäter den Königstitel an oder erhielten ihn von den deutſchen Katfern, denen fie den Lehnseid Teiften mußten. 1437 kam das Land an das Haus Habsburg-Oeſtreich, bei dem es noch jest ff. Die Königin von Böhmen (D. C. I, 2) ift wohl Katfer Karl’ des Fünften Tochter Marie, die mit ihrem Better, dem fpäteren Katjer Marimiltan II, vermählt war, dem Sohne Katjer Ferdinand's II., des Bruderd von Karl dem Fünften.

Bohemerweib, |. Zigeuner.

Böhmerwald (Picc. V, 2), die 40 Meilen Tange, bis zu 4554 Fuß anfteigende Bergfette, welche vom Yichtelgebirge aus bis an die Donau die fübweftlihe Grenze Böhmend bildet.

Bojar (Dem. I), uriprünglid ein Krieger, gegenwärtig in den flavifchen Ländern ein adeliger Gutsbeſitzer oder Freiherr.

Bonmot, frzi., eig. „gutes Wort”, d. i. ein wihiger ober Inftiger Einfall (K. u. 8. III, 2).

Booten (Iph. I, 3w.:H.). Die Bewohner von Böotien, einer Landſchaft Mittelgriechenlands (fonft Bootier). Das Schlan-

Bordeaur Bourdeaux. 13

genbild des Stifter8 bezieht fidh auf den Drachentöbter Kabınos, den Gründer Thebens, d. b. der Hauptftabt Böottend. Im Terte des Euripides ſteht an biefer Stelle (v. 256 ff.): auf den Außer: ſten Spigen der Schiffe am Steuerrande war ein Kadmosbild mit dem goldenen Drachen.”

Bordeaur (8. d. H.), an der Gironde im ſüdweſtl. Frank— reich, einer der bedeutendften Handeläpläge. In einigen Aus- gaben fteht nach veralteter Schreibart die ältere Form Bour⸗ deaur.

Borgia (Berbr.a.v. E.). Eäfar (ital. Eefare, ſpr. Tichelare) Borgia war ein Sohn des Papfted Alerander VL, er ift in ber Geſchichte Tprüchwörtlich geworden für ein Ungeheuer an Falſch⸗ beit, Grauſamkeit und Sinnlichkeit. Er ftarb 1507.

DM Borgo (Mith.), j. Malta. Boris Godunow (Dem. I), |. Demetrius. Boten, flammenbe, |. Yenerfignale.

Botenfegel (W. T. IV, 3), ein Schiff mit einem Eilboten.

Bonbon (Wit. T. 1,6). Der Eonnetable Karl v. Bourbon, ein Berwandter und Bajall König Yranz I. von Frankreich, war von diefem in feinem Ehrgeige vielfach tief gefränft worden. Aus Rache trat er zu Katfer Karl V. von Deutjchland über, und füsrte (1524) die kaiſerlichen Truppen ſiegreich gegen jeine früheren Landsleute an. Sein Berrath erregte indeß allgemei- nen Abſcheu, felbft bei jeinen neuen Verbündeten, und erjchwerte ihm die Erwerbung einer ficheren politiichen Stellung. So ftellte er fih 1527 an die Spige der ſchlecht bezahlten Soldtruppen des Katferd und machte mit ihnen einen abenteuerlichen Zug gegen Rom, welches von ben entarteten Kriegsknechten in robefter Weiſe geplündert wurde. Er felbft war gleich am Anfange bed Sturmes von einer feindlihen Kugel getödtet worben.

Bourbeaur, |. Bordeaux.

14 Brabant Braut von Meifina.

Brabant (O. C. 11,2 3.2. O. Prolog, 3), ehemals ein jelbftändiged Herzogthum, defien Beherrſcher ein großes Anſehen über die Negenten der benachbarten niederlänbifchen Staaten ausübten; jept eine der wichtigften Provinzen des Königreich Belgien.

Bramarbad (Wit. L. 3), der Name eined Großſprechers im einem Luftipiele Holberg’3, des großen komiſchen Dichterd der Dänen; gewöhnlich |. v. w. Großmaul, Haudegen, NRaufbold. Davon bramarbaftren, wie (R. I, 2): „Der Wein bramarbaftrt (prahlt) aud Deinem Gehirne.“

Brandeis (Wit. 2. 11), ein Städtchen an der Elbe im nörd⸗ lichen Böhmen.

Braunau (Wit. T. III, 10), böhmifche Stadt an ber fchle- fifchen Grenze.

Brautlauf (W. T. IV, 3), ſ. v. w. Brautzug, d. t. der den Bräutigam begleitende Zug, wenn derfelbe feine Braut zur Hoch⸗ zeit abholt.

Braut, Die, von Meſſina. Es iſt die Lektüre der grie- chiſchen Tragiker und befonderd des Aeſchylus, den Sch. in ber Weberjegung ded Grafen F. L. Stolberg las und den wir lieber in der Donner's oder Droyſen's Tennen lernen, welche den Did: ter zu dem Stoffe der Br. v. M. führte. Schon 1801 beichäf: tigte er fi) damit, und arbeitete den Winter 1802 —3 an ber Ausführung. Am 4. Yebruar 1803 las er das fertige Stüd in einem Kreife von Beichügern und Freunden vor und endlih am 19. März fand die erfte Darftellung zu Weimar flat. Der Eindrud war bedeutend und ungewöhnlich ſtark, auch imponirte das Stüd dem jüngeren Theile des Publicums fo fehr, daß man dem Dichter nah der Aufführung am Schauſpielhauſe ein Lebe: body brachte, „welche man ſich fonjt in Weimar noch niemals herausnahm“. Im Mat arbeitete Sch. die einleitende Vorrede „über den Gebrauch des Chors in der Tragödie” und mit Die: jer erjchien die erfte Ausgabe Tübingen bei 3. S. Cotta 1803,

Braut von Meifina. 75

8°, XIV, 162 ©., die in ber Orthographie vieled Eigenthüm⸗ liche Hat.

Die Fabel des Stüdes ftellt die Gedichte feindlicher Brü- der bar, eine Störung bed hetligften Naturverhältnifies, welche der gefunde Berftand, auch ohne Ariftoteled PVoetil c. 14, p. 4 ge- lefen zu haben, tragifch findet. Die Anregung, einen folchen Ge⸗ genftand von Neuem zn erfinden oder nach feiner Weiſe zu com- biniren, fand Sch. erftend in dem hochberühmten, von Iſabella in unjerem Stüde felbft erwähnten, feindlichen Brüderpaar der thebaniſchen Dedipudjage, die er Durch die „Scenen aud den Phd: nicierinnen“ des Euripided näher kennen gelernt und zweitens in einer jehr lebhaften Fugenderinnerung an J. A. Leiſewitz's 1776 erſchienenen Julins von Tarent, der daflelbe Thema behandelt umd der jhon in ben feindlichen Brüdern der „Räuber“ einen ſtarken Nachhall gefunden hatte. Zu diefer Grundlage der im Stück entwidelten Thatfachen tritt mm aber eine Idee und zwar bie Darftellung des antiken Schickſalsbegriffes, welche jchon im Wallenftein erftrebt worden war. Auch hier liegt, nach Sch.'3 eigenen Andeutungen, eine beftimmte Anregung aus ber alten Literatur vor; es ift ber durch das Studium des Sophokleifchen König Dedipud nen erregte Wunſch, der Tragödie die antile Einfachheit und bohe Idealität wiederzugeben und fo den ba: mals in Koßebue's dramatiichen Arbeiten fih antündigenden flachen und trivialen Darftellungen des fogenannten wirklichen Lebend entgegenzutreten. Als da8 befte Mittel Dazu glaubte Sc. die Wiedereinführung bed antifen Chored erkannt zu haben. Sedenfalld müffen unjere Leſer willen, daß erft Die Kenntniß des fopholleifhen Städes ben Schlüſſel zum inneren Verſtändniß des ſchillerſchen bietet.

Die Herriherfamilte Meſfina's ift feit etwa zwei Monaten ihres fürftlichen Hauptes beraubt, zu um jo größerem Unheil für den Staat, als zwifchen den beiden Söhnen bed Königs ein mmerflärter, aus ber früheften Kindheit ftammender Haß wüthet, der die Bafallen des Reiches zu der Bitte an die verwittwete

76 Braut von Meifina.

Fürftin treibt, einen Verſuch zur Ausjöhnung der Prinzen zu machen. Diejelben haben verfprodhen, an dem Tage (an welchem dad Stüd beginnt) Rh in Gegenwart der Mutter zu fehen. Als die Geleitzüge der Söhne nahen, jendet fie den alten, treuen Diego nad) einem Klofter, um dort einen geheimnißvoll ange- deuteten Auftrag zu vollziehen, der das Glüd des Tages vollen- den jol. Die Worte der Mutter wirken auf ben älteren und den jüngeren Bruder, bie beide im Grunde edle Naturen fin, fo daß fte fich verfühnen. Da bringt ein Bote dem Don Ceſar die Nachricht, daß eine von ihm geliebte Dame, deren Spur er verloren hatte, von feinen Dienern in Meffina felbft aufgefunden jet. Don Ceſar verläßt feinen Bruder. Diefer erklärt nun dem Chor, daß auch er eine heimliche Liebe nähre, fo ſtark, daß fie ihm ſchon lange den Bruderhaß genommen ein felned Wort des Dichters, welches in feiner erlaubten Anwendung auf Don Gefar, die mitunter bemängelte Schnelligkeit ber Berjöhnung volllommen erflärt und daß er beichloffen habe, fich feiner Geliebten an biefem Tage ald Don Manuel zu entdeden. Fünf Monate vor der Zeit des Stüdes, alſo 3 Monate vor bem Tobe ded Vaters, hat er fie, indem er auf der Jagd eine weiße Hin- din verfolgte, in einem Klofter entdedit und ihre Liebe gewonnen. Es tft Died die erfte Stelle, wo der Zufchauer dur Don

Manuel’! Worte

Ein Heilig Pfand ward fie dem Gotteshaus

Bertraut, dad man zurũck einft werbe forbern,

Sich felber ein Geheimniß wuchs fie auf.

Ein alter Diener naht von Zeit zu Zeit,

Der einzige Bote zwifchen Kind und Mutter (der aber zugleich geftanden hat, daß fie von edlem Blute jet) eigentlih ſchon in den innern Zufammenhang des Stüdes geſetzt wird. Er weiß jeßt und augenfcheinlich ift dies für bie Afthe- tiiche Wirkung des Stüdes von der größten Wichtigleit daß Don Manuel die geheimnißvolle Perfönlichkeit Tieht, die Sfabella duch Diego aus dem Klofter zurüdforbert und kann ahnen, daß ed die Schwefter ift. Nach Hofmeifter fol ber Zufchauer

Braut von Meifina. 77

erft p. 478 bei Beatrice's Ausruf „Web weh mir, o entjegenvolles Licht“, als fie erfährt, daß tabelle Don Manuel's und Don Ceſar's Mutter ift, die volle Einfiht in ben Zuſammenhang haben.

Der Alte Hatte dem Mädchen am Tage vor dem Beginn des Stüdes gejagt, morgen werde ihr Schickſal ſich löſen. Darım bat Don Manuel in der Nacht fie nah Meiftina entführt. Sie wohnt in einer Billa unfern dem Klofter der Barmberzigen. Nach diefen Mittheilungen entfernt fih Don Manuel wit zwei Begleitern aus dem Chore, um den Foftbarften Brautihmud für fie zu kaufen. So fcheint Alles fich glüdlich zu löſen; aber gerade bier deutet Sch. wohl jelbft der Anficht, daß der Zufchauer, von der Idee einer möglichen Liebe zwifchen Bruder und Schwe: fter beunruhigt, ſchon Unheil ahnt durch den Chor an, daß diefed Glũck auf einer ımterwühlten Grundlage rubt. Denn dieſer theilt mit, „da ihm die lichtichen, krummen Liebeöpfabe mißfallen“, daß Iſabella, eigentlih vom Bater ihres Gemahls zur fürftlichen Gattin auserkoren, demfelben vom Sohne dem nachherigen Vater Don Manuel’3 und Don Ceſar's gewalt- fam entriffen worden fei. Da habe der Vater im Zorne diefem und feiner Ehe geflucht und jo berge das Fürſtenthum „Ichwarze Verbrechen, Greuelthaten ohne Namen”. Und im Folgenden hören wir den Dichter felbft, der die Grundlage feines Stückes motivfren will, wenn ber Chor fagt:

„Es tft kein Zufall und blindes 2008, daß bie Brüder fich wũthend jelbft zerftören, denn verflucht warb der Mutter Schooß, fie follte den Haß und den Streit gebären“

Wir madhen auf die wichtige Thatſache aufmerffam, daß diefer legte Vers den Zuſchauer auch über den Sinn ber noch zu er: wähnenden Träume der Sfabella vollftändig aufllärt.

Der Dichter führt und mın zu der geheimnißvollen Geliebten Don Manuel’d, Beatrice, die ängftlich den Freund erwartet, ber ihre Neue „über die fträfliche Flucht“, beruhigen fol. Sie er:

78 Braut von Meſſina.

zäblt, wie fie, um zu beten, ftch in dad nahe Klofter gewagt babe, dann aber Späher fürchtend es verließ, denn jchon früber einmal’ babe fie „mit frevlem Muth”, um dad Begräbnig des jüngft verftorbenen Fürſten von Meſſina zu feben, fih aus dem Klofter ihrer Erziehung hinausgewagt und bier habe fie in dem auf fte gebefteten Ylammenauge eines fremden Zünglingd eine plößliche wilde Leidenichaft geahnt. Dem Geliebten habe fie diefe Schuld verfchwiegen. Da mit einem Male erfcheint Don Ceſar jeldft, denn die von dem Boten ihm als gefunden gemel- dete Geliebte, deren Spur er verloren hatte, ift Beatrice. Er erinnert fie an die Begegnung bei den Begräbniß.

Dem Zufchauer bleibt nun fein Zweifel mehr, daß beide Brüder die Schwefter lieben. Don Ceſar nennt fi ihr als Fürft Meſſina's; die Entjepte wagt, als er fle feine Braut nennt, fein Wort zu erwidern. Nad feiner Entfermmg aber ſpricht fie aus, daß fie oft Ichon mit geheimnißvollem Schauer von dem furchtbaren Geſchlechte und dem Schlangenhaß der Brüder ge- hört babe; fie fühlt fich rettungslos in dieje furdhtbare Sphäre hineingeriſſen.

Unterdeß bat Iſabella von der Verſöhnung der Brüder er- fahren, und wir finden fie in ihrem Palafte inmitten beider; es erſcheint natürlich, daß fle der Mutter ihre Vereinigung und ihre Liebe mittheiler wollen. Iſabella preiſt ſich glüdlich, daß endlich der lang erjehnte feitlihe Tag erfchienen ſei, wo fie die Herzen ihrer Kinder verjühnt fehe. Aber diefer Tag joll noch durch die Enthüllung eines ſchönen Geheinnifjed gefeiert werden. Eine holde Schwefter, deren Geburt und Leben bis dahin in Dunkel begraben gewejen, foll zwilchen die verjühnten Brüder treten. Ste habe ihre Tochter, fo erzählt fie, dem ihr vom eigenen Vater drohenden Tode entreißen müflen, denn ein arabiſcher Aftrolog babe diefem erklärt, die beiden Söhne und fein ganzer Stamm würden durch fie vergehen durch einen ihr felbft gewordenen Traum aber ermuthigt, den ein „gottgeltebter”, d. h. wohl chriſt⸗ licher, Mönch ihr gedeutet „ihre Tochter würde ber Söhne ftreitende

Braut von Meffina. 79

Genrüther in heißer Liebesgluth vereinen“ habe fie dieſelbe im Berborgenen erziehen laflen.

Bon bier an weiß der Zuſchauer, daß Alle über Iſabella zuſammenbrechen muß, und wenn er auch bie Entwidlung in ihren Einzelnheiten nicht voraußfieht, fo weiß er doch, daß fie nur entfeglich fein kann; bie Andeutungen des Chors haben fchon den düfterften Schleier über die Zukunft gebreitet. Die beiden Zräume find für ihn in ihrer fich ergähzenden Bebeutung völlig Mar. Als der alte Diener Diego, der bie Tochter bringen foll, nun ankommt und erflärt, fie jei aus dem Klofter geraubt, ma- hen die Umftände und die Zeit, in der dies geſchehen fein joll, Don Manuel unruhig; „und Beatrice nennt ſich Deine Tochter?” fragt er die Mutter und dann weiter dringend mit breimaliger Frage „wo verbargft Du fie". Wir müflen ben Leſer auf die eigenthümliche, etwas zerbrechliche Künftlichkeit diefer Scene auf: merfjamn machen. Die Mutter bat kaum die Söhne aufgefor- dert, den Räubern zu Wafler und zu ande nachzuſpüren, als Don &efar wilb und dies paßt zu jenem als ftürmifch und unüberlegt gejchilderten Charafter davonftürmt. Don Ma- nuel aber, der in tiefes Nachdenken verſunken ift und der übri- gend den alten Diego nicht zu erkennen fcheint, obwohl er ihn doch nach feinen früheren Mittheilungen an den Chor öfter ge: ſprochen haben muß und ihn bier Direft anredet, thut nun die frei dringenden und fo natürlichen Anfragen nad dem Orte der Erziehung; Iſabella aber treibt ihn nur zur Eile und antwortet auf das dritte Mal:

„verborgner nicht war fie im Schoß der Erbe.” Die Seltſamkeit diefer (nur in der Poefie möglichen) Antwort wird Niemand verfennen; bätte fie freilich den Ort genannt, fo hätte Don Manuel gewußt, daß er feine Schwefter liebte, und dad Stück hätte ein Ende gehabt.

un Ran wirb fich, bemerkt Böttiger (unb wir verdanken auch dieſe interefiante Mittheilung Hoffmeifter V, 115), babet des Ver⸗ dachtes nie erwehren fünnen, daß ber Dichter dieſes Schweigen zur

80 Braut von Meifina.

Ausführung ſeines Planed notbwendig brauchte, fo daß Died aller- dings eine Schwäche des Stüdes tft. Sch. felbft indefien, als man ihm Died bemerflich zu machen fuchte, wunderte fi, wie man feine Intention jo wenig babe fafien Tönnen, da ja eben in dieſem Berfchließen des Mundes in fo kritiſchen Augenbliden, wo ein vettended Wort dad eherne Nep des Schhidjald hätte zerreißen Fönnen, die unabwendbare Gewalt, ja dad Dämonifche bed Verderben brütenden‘ Verhängniſſes fich recht deutlich offen- bare und alle Zufchauer mit geheimem Grauen durchſchauere.““ „Nur geht Hier, fügt Hoffmeifter hinzu, die Wirkſamkeit bes Schickſals und bie pſychologiſche Wahrheit nit Hand in Hand, und wir fehen nur einen Kunftgriff des Dichterd, wo wir bie legtere aufgehoben finden. Die umfichtige und verftändige Iſa⸗ bella Eonnte felbft im Affekt den Sohn nicht fortfchtden, ohne ibm die wiederholt geforderte nöthige Auskunft zu geben.

Hier laͤßt daher der Dichter um ein retarbirended Mo- ment zu ſchaffen den Diego einfallen

„o jeßt ergreift mich plößlich bange Furcht“

und num erzählen, wie Beatrice ihn gebeten habe, bem Todten- fefte beimohnen zu dürfen, wo denn wohl ein Räuber fie auf: gefpürt babe. Don Manuel athmet auf, denn in feiner Idee ift feine Geliebte unfähig, ihm das Geringfte zu verichweigen; fie ift nicht dieſelbe mit Iſabella's Tochter, tft nicht feine Schwe: fter. Der Zufchauer weiß nun freilich vollfommen ficher das Gegentheil. Doc nun befchliegt Manuel, fich Licht zu verfchaffen und geht. Sept läßt der Dichter Don Ceſar zurückkommen und wir müflen audiprechen, daß wir bier um Haaresbreite an ber Klippe ded Komijchen vorbeiftreifen und die Mutter nad) einem Zeichen zur Erkennung ber Schweiter, nach dem Orte ihter Erziehung fragen. Sie jagt ihm Alles Nöthige.

Bon bier an erfüllt fih nun an Sfabella und ihren Söhnen ein grauenvolles Schiefal, dem die Mutter in immer neu er: wachender Hoffnung die hartnädigfte Verblendung entgegenfept.

Braut von Meffina. 81

Das Stück iſt noch nicht ganz bis zur Mitte gelangt, und viel: leicht ift die Verblendung Iſabella's zu lange feftgehalten; das Gefühl des Zufchauer3, der ſchon im Geheimniß tft, wird durch die übergroße, oft jubelnde Sicherheit der Fürſtin vielleicht zu pein⸗ ih angeipannt. Hierher gehört auch wohl, wenn man betrachtet, wie oft ih für Iſabella die entjeglihen Weberrajchungen des Schickſals wiederholen, die vorfichtige Andeutung Wilhelm v. Sum: boldt's an Sch. jelbit: „Daß der Stoff des Stüdes an fich fogar funftlich jei und bei minder guter Behandlung hätte ſpielend außjeben Fünnen.“

Don Manuel ift bei Beatrice angelangt und erfährt nun, daB jie bei der Todtenfeier gewejen, alſo jeine Schweiter ift. Schon tft Don Ceſar's Stimme, der ebenfalld herbeieilt (merf- würdig, daß feiner von beiden nach der Schweiter audgezogen ift!), gehört worden; Beatrice ſchmiegt fid) zitternd an Don Manuel an, welcher nun von feinem Bruder, der einen beuchlerijchen Verräther in ihm fieht, erfiochen wird.

Hier tft die wichtige Stelle, wo beim Eintreten des wirf: lichen Unglüdes, ber Blutſchuld, ber Zufchauer ſich ernſtlich nah der Schuld der handelnden Perjonen fragt. Die Geichicht: Ihreibung könnte ſich begnügen, die Thatjachen einfach darzu- legen, jofern fie nur den realen Zufammenhang nachweijen kann; die Poefie, welche nach Ariftoteles philoſophiſcher iſt als Die Ge— ſchichte, kommt dem tiefiten Bedürfnig des menjchlichen Herzens entgegen dem des Kindergemüthes, welches im Mährchen den leidenden Guten am Ende belohnt jehen will und tem Imm. Kants, der auf das Gefühl einer unverweigerlichen Gerechtigkeit die Unfterblichfeit der Seele begründet nämlich den, eine ewige Gerechtigkeit wentgftend ahnen zu Dürfen und ſich mit der Menſch⸗ heit als zu einem fittlihen Ganzen zufammengeichlofien zu fühlen. Schon der alte griechifche Geichichtöichreiber Herodot (um 444 v. &hr.) bat jeinem wundervollen Werke dieje ernite Grundlage gegeben; wer erfennt nicht in der folgenden Darlegung feiner

I. 6

82 Braut von Meifina.

Sdeen, bie wir wörtlid der Einleitung feines vortrefflichen Heraußgeberd Stein entnehmen, den &eift unferes Stüdes?

„Was die Gottheit einmal nach ewiger Ordnung über „einen Sterblichen verhängt bat, wird fein unabänder: „liches Verhängniß, dem er weder durch eigene noch durch „Anderer Hilfe zu entgehen vermag. Oft bethört fie einen „lolchen mit Uebermuth und eitler Hoffnung, verfchließt „fein Ohr der warnenden Stimme einfichtiger Freunde, „ja, mit berber Ironie ihre Opfers ſpottend, täuſcht fie „ihn wohl mit vieldeutigen Träumen oder doppelfinnigen „Orakelſprüchen, daß er, der Gefahr zu entrinnen wäh: „nend, in fie hineinrennt. Wie fie ſich gegen jede Ueber: „bebung als eiferfüchtige, fo erweift fie fich gegen jede „fttliche Ueberfchreitung als rächende und ftrafende Macht. „Jedes Unglüd, dad fie fendet, ift Folge einer Schuld, „und für das Vergehen des Ahnen muß oft ein fpäter „Enkel büßen. Das Geſetz der Vergeltung ſteht über „den Thaten der Völker, wie der einzelnen Menfchen. „Daß darüber oft der Unſchuldige mit dem Schuldigen „leiden muß, achtet die erzürnte Gottheit nicht. Aber ſie „ſucht es jelbft an den Werkzeugen ihres Zornes heim, „wenn fie mit zu großer Graufamfeit gegen ihre Opfer „verfahren und beftraft übermäßige, wenn auch gerechte „Rache. Dem Gekränkten verhilft fie zu Genugthuung, „und wo ber mächtige in ungleihem Kampfe den Schwa: „hen zu bewältigen broht, tritt fie auf diefe Seite und „ſtellt das Gleichgewicht der ftreitenden Parteien her”.

Kein Unglüd ohne Schuld?! es iſt die furchtbar ernfte Frage, die im Alten Teftamente dad herrliche Buch Hiob behandelt und die obwohl wir Modernen nicht geneigt find, dieſe Anficht für da8 Leben bes Einzelnen, am wenigften jebenfalld für unfer eigened gelten zu lafſen bei großen welterfhütternden Ereig⸗ niſſen und bei Perfonen, die in folde unheilvoll verwidelt find

Braut von Meſſina. 83

Jul. Caeſar, befonders Karl I. und Ludwig XVI., Rapoleon I.), immer wieder bräuend an und berantritt.

„Der Uebel größtes aber ift Die Schuld!” Worin liegt aber die Schuld ber Perſonen unjered Stüdes? Es tft klar, daß eine Hauptaufgabe Sch.’8 darin beftehen mußte, für dad Bewußtfein des modernen Zufchauerd biefe Schuld fo weit irgend möglich darzulegen. Wenn man nım zunächft dem Faden der Ereignifie in und vor dem Stüde bis zum tbatfächlichen Urjprung derjelben folgt, d. b. nad) dem Punkte fucht, wo die erfte böfe „fortzeugend Neues“ gebärende That gefchieht, durch deren Nichtgeichehen auch das Ichlummernde böfje Geſchick nicht erwedt worden wäre fo findet fi, derjelbe in der Vermählung Sfabella’3 mit dem Sohne ded Zürften. Sie hätte, auch auf die Außerfte Gefahr bin, ihre Hand verweigern müflen; Hoffmeifter V., p. 79 meint, fie hätte das Unwürdige von ihrem Gemahl nicht ertragen follen (nämlich feinen Befehl, die neugeborene Tochter zu tödten), geht aber damit offenbar nicht weit genug zurüd; viel klarer fchreibt ihr Palleöte deflen Abhandlung und überhaupt vortrefflich erſcheint bie Schuld der Läßlichkeit zu, „welche die wüſte Berfallenheit der Zamilie, die ſchmachvolle Ehe nicht von Grund auß zu heilen ftrebte”. Wie hat Sch. felbft darüber Er laͤßt Beatrice ſelbſt zur Mutter ſagen

und allen zum Berberben haft du den Zobeögätiern ihren Raub, den fie geforbert, frevelnb vorenthalten.

und Don Gefar ruft kurz darauf ihr zu: und verflucht fei deine Heimlichkeit, die all dies Gräßliche verſchuldet! Es möchte nicht fo leicht zu erflären fein, daß Sch. auf dieſe furchtbaren Anfchulbigungen die Mutter erwiedern läßt: den Rachegeiftern überlaß' ich Died Haus ein Frevel führte mich herein, ein Frevel treibt mid ud Alles dies erleid' ih ſchuldlos 6*

84 Braut von Meifina.

Es ift aber nun um fo weniger möglid, daß der Zuſchauer an eine Schuld glaube, von der die Hauptperſon des Stüdes jelbjt durch die furchtbarften Beranftaltungen des rächenden Schickſals nicht überzeugt werden kann. Wie ift dann noch auf Iſa— bella das Schlußwort des Stüded anzuwenden? und follte dem modernen Menjchen nicht unerträglich fein, was ſchon dem Xriftoteled unerträgli war, der in feiner Poetik, welche Sch. tannte (c. 13, 2), ausdrücklich fagt: eine Tragödie darf und feinen Schiefaldmechfel vorführen, bei welchem tugendhafte Männer aud Glück in Unglüd gerathen, denn Died tft weder furchtbar noch Mitleid er: wedend, jondern vielmehr empörend*).

Henn wir und nun fragen, wie begründet Sjabella, und mit ihr Sch., ihre Unfchuld vor ſich felbft obgleich damit freilich noch nicht bewiefen tft, daß fle, nach den Geſetzen der Aefthetik und nach denen des menſchlichen Gefühles, unfchuldig fein darf —, jo führt und die Beantwortung diefer Frage in den eigentlichen inneren Zufammenhang unfered Stüdes.

Hoffmeifter nennt Sfabella nach der bürgerlihen Moral un- chuldig, d. h. wohl, fie bat mit allen ihren Maßregeln nur Gu- te8 gewollt und hat, perfönlich vollfommen rein, vielmehr ein Dpfer der Gewaltthätigkeit Uebermächtiger, nie etwas Böſes beabfichtigt. Heimlichkeit ift ihr vorgeworfen worden was hat fie zu diefer Heimlichkeit gebracht? Hier treten die beiden von ihr jelbit erzählten Träume ein. In der That, die beiden Träume, welche gerade in ihrem entgegengejegten Anfcheine die um ihr Kind beforgte und zur Rettung defjelben vollkommen beredhtigte Mutter täujhen mußten, entichuldigen fie auch volllommen, wenn auch noch jo viel Unheil gerade aus dieſer gut gemeinten Maßregel erwächſt. Sp ergiebt fih, daß diefe Träume ſchon

2) Sujemihl lieft mit Ufener dvuapov, d. i. „unbehaglich“, Stahr lieft nıa- ov und überfept wie tim Text, Zell überfegt „abicheulich”; wir freuen und in ahlen's Ausgabe dieſes leytere, allein paffende Wort wieder bergeitellt zu jeben.

Braut von Meffina. 85

die Yallitride des böfen Schickſals find und daß dieſes wieder durch den vom Chor erwähnten Fluch des Ahnherrn gegen das fürftlihde Geſchlecht in Bewegung geſetzt wird.

Die Srımbfrage für bad ganze Stüd ift: In wie wett ftimmt dad Gefühl des Zuſchauers mit den Yügungen bed Schickſals überein; in wie weit entiprechen fih Schuld und Strafe; in wie weit werden von dem Dichter Die Geſetze des fittlichen freien Willens gegenüber den Geſetzen bed jenfeitigen Schickſals auf: recht erhalten und die Klippen find, dab das Schickſal, indem ed Unfchuldige ftraft, blind, oder der menfchliche Wille, indem er unfreiwillig Böfes thut, geknechtet erfcheinen müflen. Wenn man nun dad Drama nicht als eine fünftlihe Reproduction ber volksthümlichen antiken Dentweije anfehen, fonbern ihm die lebendige Wirkung auf Weſen unjerer Zeit ihern will, fo muß vor allen Dingen Schuld und Strafe in ein entiprechendes Berhältnig gefegt werden; ed muß unterfucht werden, in wie weit dad Eingreifen des Schidfald motiwirt wird. Der Standpunkt bes modernen Zufchauers kann aber nur der der fittlichen Frei⸗ beit fein, die ſich ſelbſt ihr Schidjal bereitet; weit entfernt die felbe in die Abhängigkeit eined Gbermächtigen höheren Willens zu ftellen, Hält er vielmehr den Glauben feft, daB diejer höhere Wille zulegt ter ringenden fittlihen Freiheit zum Siege ve beifen wird. Allerdings iſt die nur ein Glaube; vielleicht aber tft alle ®oefie nur da, um den Menfchen, welchem in der Yinfterniß und in den bittern Enttäufchungen bed Lebens jener Glaube doc, oft entſchwindet, wentgftend auf Stunden in ein höhere® Reich ber Geifter zu verfepen, wo fein Ideal ewi⸗ ger Gerechtigkeit ihm verwirklicht entgegentritt, um ihn jo für den Kampf des realen Lebens felbft zu ftärfen. Sa, fo eifer: fühtig find wir auf unfere Freiheit, fo fehr wollen wir und we: nigften8 das abfolute Bewußtſein derfelben bewahren, daß jelbft Me Vorſehung, und wäre fie noch fo gerecht, und gegen fich ha— ben würde, wenn wir vom Anfang der Entwidlung eined wirt: Iihen oder dichterifch geichaffenen Menfchenlebens an, ihre Hand

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zu deutlich im Spiele fähen. Noch unmöglicher freilich ift ihr Gegentheil, der reine Zufall, in der dramatifchen Poefle; ex würde lächerlich, humoriſtiſch, empörend oder ſelbſt wahnwitzig erfchet- nen. Die Mitte bildet die Yreiheit und ein jittliches Cauſal⸗ geſetz von Urſache und Wirkung und der gläubige Gedanke an eine ewige Bergeltung, in deren Weſen und Wirken wir nicht tiefer einzudringen vermögen und auch nicht einmal wollen, bie wir aber im Bunde wifjen mit allem Guten, und die und im Leben des Einzelnen wie in dem Riefengemälde ber Gejchichte glei allmächtig erjcheint, Die oft dunkel geabnt wird, oft faft fichtbar dem Böfen die Schlinge legt, welche er allein nicht fieht, oft auch dad gewollte Gute, wenn ed nicht aud den reinften Tiefen des Herzend emporgefttegen ift, zum Unheil wendet, zulebt aber der Geift ift, der aus allem gewollten Böſen ftetd alles Gute zu Ichaffen weiß.

Bis jetzt ift alfo der Fluch des Ahnherrn der erfte Anſtoß zu allen den unheilvollen Ereigniſſen, die den Perſonen des Stückes drohen. Der Vater verflucht nämlich den Sohn, der ihm die künftige Gemahlin entriſſen hat, und nebenbei trifft bie Verwünſchung wohl auch Iſabella. Merkwürdig genug hat Sch. nicht angedeutet, daß der eigentliche Miffethäter, Der Gemahl der Fürftin, feine Strafe in Folge ded Fluches gefunden bat, er ftirbt vielmehr im Vollbejig der Macht; denn daß er etwa in bem Haffe feiner Söhne, der leicht fein Reich zu Yall bringen Tonnte, eine ſolche Strafe gejehen hätte, gebt nicht aus dem Stüde hervor”). Freilich darf man auch an die That des Sohnes nicht etwa den juriftifden Maßſtab legen wollen, wonach ſie ge- feglich ftrafbar kaum erfeheinen würde; man laſſe fle im Ge⸗ gentheil jo fchwer als möglich wiegen, ed mag und grauen

*) Wenn Palleske IT, 544 fagt: „Wenigſtens erfcheint ber unnatürliche Bru⸗ derhaß der beiden Söhne, welche den: Paare geboren werben, biejem jelbft wie eine Strafe und ermwedt ihm Grauen”, fo ift, bei der Wichtigkeit biefer Erör⸗ terung für den innern Zuſammenhang des Stüdes, barauf hinzuweiſen, baß mir von einer ſolchen Idee in demſelben Nichts haben finden können.

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voll anwidern, wenn wir in das heiligfte und ibenlfte aller Ra: turmerbältnifje leidenſchaftliche Nebenbuhlerſchaft bineingetragen ſehen die einzige bedenkliche Yrage bleibt und die Wirkung ded Fluches auf die folgende Generation bin. Denn der Haß der Brüder ift, nad) der ſchon angeführten Stelle, eine Wirkung dieſes Fluches: „Es ift kein Zufall und blindes Loos, daß bie Brüder fi) wüthenb felbft zerflören denn verflucht warb ber Mutter Schoß, fie jollte den Haß und den Streit gebären“. Es fcheint und, als jet Sch. hier durch den Bau feines Stückes in eine eigenthämliche Verlegenheit gebradht worden. Wie leicht ließ ſich der Haß fürftlicher Brüder, von benen ber eine der geborene Unterthan des Anbern ift, auf die natürlichfte Weile motiviren! man braudht ja nur an das thebaniſche Paar zu denken oder an Carl und Franz Moor. Aber eine folde Motivirung hätte das Stüd von Grund aus verändert. Wäre auch nur die jchnelle Verſöhnung möglich gewefen, wenn der angeborene Adel diejer Charaktere durch Neid, Eiferfudt und Herrichficcht zerrüttet und verzehrt worden wäre? Anderer: ſeits tft allerdings ſchwer begreiflich, wie ein Haß, von dem bie Mutter jelbft fagt „init ihnen wuchs

„ans unbefannt verhängnikvollem Samen“

„auch ein unfel’ger Bruberhaß empor,“

„der Kindheit frohe Einigfeit zerreißenn,” s und reifte furchtbar mit dem Ernſt der Jahre.“ aljo eine jener Raturanlagen zu gegenfeitigem Hafje, wie fie auch im Privatleben nicht gerade felten find, dann fo ſchnell über: wunden werden Tanı. Der Dichter ift bier auch Außerft vor: fihtig verfahren, indem er biejen Zwieipalt ber Brüder durch teine bejonderd erwähnten unfühnbaren Thaten dem Zufchauer unverjöhnlich erjcheinen, fondern denfelben mehr in der Stellung der feindfeligen &efolge der Brüder ſich wiederjpiegeln läßt, indem er ihn, wie Hoffmeifter fagt, nur leije motivirt, auch die Charaktere der Brüder nicht zu fchroffen Gegenſaͤtzen ausprägt und endlih ein Band der Einheit erftend in dem vollen Adel

88 Braut von Meifina.

ber Gefinnung, der beide belebt, zweitens in der gleichmäßigen und Starken Liebe andentete, welche ihre Herzen an die Mutter fefjelt.

Um den Dichter vor dem Borwurfe, der ihm vielfady ge- macht worden tft, zu ſchützen, daß nämlich alle Perjonen in dem Stüde ſchuldlos ſeien, hat man dem Ceſar nachgejprocdhen, die Heimlichfeit, mit welcher alle und bejonderd Iſabella ihr Handeln umgeben, fei ihre Schuld. Es fcheint und aber ganz falſch, mıf diefe Heimlichkeit den Hauptaccent zu legen; jebenfalld trifft man doc) dadurch nur ein Accidend und nicht Die Subftanz und vergißt ganz, daß der Haß der Brüder, wenn auch fcheinbar gleich im An- fang und eigentlih nur mit graujamer Sronie ded Schickſals bejeitigt, Doch die Triebfeder und Veranlafiung alles innerhalb des Stüded Geſchehenden ift und daß fchon in den beiden Träumen das Schiejal ihn offenbar mit in jeine Rechnung zieht, wodurch dann allerdings die Heimlichkeit Iſabella's die Beranlafiung gerade zum Entjeglichiten wird.

Der Kern der Schuld ift unb bleibt der Raub Iſabella's durch den alten Fürften, die etwaige Schwäche, mit der fie nach» giebt, worüber der Dichter aber auch nicht die leiſeſte tadelnde Andeutung verliert, und der Fluch des Ahnherrn, der fi nicht an jeinem Sohne, wohl aber an feinen Enteln erfüllt.

So läge aljo dieſe Nrfhuld vor den Stüde und ed fragte fih bier, wie weit da8 moderne Bewußtfein den Fluch und das ihn ausführende Schiefal ald Mächte des fittlihen und zugleich des poetiihen Lebens anzuerkennen bat und fich ihnen hingeben darf, noch ehe man die Frage aufwirft, wie ed denn mit der Schuld der Perſonen innerhalb des Stüdes ftehe. Daß die Eon- fteuction des Stüdes eine fünftliche fei, wird von allen modernen Kritilern, wie von Hoffinetjter (tin 5ten Bde. von Sch.'s Leben, ©eiftesentwidlung und Werfe p. 113, 114), von dem geiſtvollen Sofeph Bayer (f. u.) von Gerlinger (f. u.) und auch von Palleske zugegeben, obwohl fich Diejer mit großer Gewandheit und Feinheit

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bier ganz etgentlich zum Apologeten des Dichterd macht. Ihren tief: ften Grund fcheint dieſe Künftlichkeit Darin zu haben, dab Sch. ſich in die ganze Gedankenwelt der antiken Tragödie eben philoſophiſch und äftbettfch hineingedacht hatte und ſich audy auf dieſem Gebiete einmal als Dichter verjuchen wollte. „Ich habe es nicht vergefien, ſchreibt er an Wilhelm von Humboldt (und wir entnehmen diefe Gtelle aus Hoffm. V, p. 67), daß Sie mich ben modernften aller weuen Dichter genannt, und mid alfo im größten Gegenfag mit allem, was antik heißt, gedacht haben. Es follte mich alfo Doppelt freuen, wenn ich Shnen dad Geftändnig abzwingen Tönnte, Daß ih auch dieſen fremden Geiſt mir zu eigen habe machen können.“ „Sch will nicht leugnen, ſchreibt er ferner, daß mir ohne eine größere Belanntichaft, die ich indeflen mit dem Aeſchy— lus gemacht, Die Berfegung in die alte Zeit ſchwerer würde angelommen fein.“ So muß denn allerdings wohl dem modernen Leſer auch bad Recht bleiben, fih dem „fremden Beifte” gegenüber fremd zu fühlen; er muß, um dad GStüd ganz zu würdigen, Die Begriffe des eigenen fittlichen Lebens einen Augenblid bei Seite legen und mit Sch. den ſchweren Verſuch maden, fid in die alte Zeit hineinzuverfeben. Hier entſteht aber fogleidy ein doppeltes Bedenken. Iſt denn wirklich jene alte Zeit in ihren fittlihen Anfchauungen eine und fo volljtändig fremde gewefen, fönmen diefe Anfchauungen, zum Troß der Ein: heit des Meufchengeichlechtes, etwa gar den unfrigen entgegen: gejept geweien fein? Wideripricht dem nicht ſchon die bewun- dernswürdige Volksthümlichkeit, die in dem Augenblid, in wel: chem wir fchreiben, dad Mteiftermerk der attifchen Bühne wieder unter und gewonnen hat”)? Wo bleibt die Einheit und Allge- meingülttgfeit des Bewußtſeins und des Gewiſſens, wenn nicht die Jahrhunderte am ewigen Begriffe des Guten machtlos zer: ihellen? Und angenommen zweitens, das Undenkbare wäre möglich,

*) Antigone auf der erften Bühne Berlin's.

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bat Sch. fich fein moderne Bewußtſein jo vollftändig aus dem Sinne ſchlagen können, und bat er nirgends eine Vermittlung verjucht?

Es handelt fih um die Denkbarkeit der Weiterwirtung bes Fluches. Alltäglich läßt die menſchliche Geſellſchaft ſowohl wie der Einzelne den Sohn die Vergehen oder auch nur das Unglück bed Baterd büßen und follte doch nicht für das herbe Gefeß, daß Gott die Sünden der Bäter beimfucht an ben Kindern his in's dritte und vierte Glied, wenigitend die Anerfennung eines inneren fürdhtenden Schauerd haben? Auch find altteftamen- taliſche Borjtellungen noch immer mächtig genug, um dem Fluche wie anbdrerfeitd dem Segen des Vaters und der Mutter, felbft da, wo er bei näheren Nachdenken als übereilt ober der Schuld nicht entſprechend erfunden werben follte, eine Die Bergeltung des Schickſals erzwingende Kraft beizumefien, befonderd aber wenn wir und im &ebiete der Poefle bewegen. Und nicht nur jüdifch, auch griehijh war dieſer Gedanke. „Man legte, jagt Preller Griechiſche Mythologie II, p. 237, in fo alter Zeit dem Fluche bed Baterd oder der Mutter eine dämoniſche Gewalt bei, bie nicht durch die Geringfügigkeit des Anlafjes, ja ſelbſt nicht durch die Neue bdefien, ber geflucht hatte, wieder aufgehoben werden konnte.“ Auch Hoffmeifter, indem er an die altteftamentalifche Anſicht erinnert, fegt hinzu: „Das tft dad Hochtragtiche im Laufe ber Dinge, daß durch eined Einzigen Schuld ganze Geſchlechter verderben”. In jedem Falle ift e8 ja auch unmöglich, den Ein- zelnen gleihjam wie ein nur fich ſelbſt entiprungenes, in fich volllommen einziged Atom von dem Ganzen lodzuldfen, dem er durch Geburt, Geſchichte, gemeinfame That, Verpflichtung aller Art angehört. Es giebt eine Anzahl von geradezu natürlichen, im ftrengften Sinne körperlichen und pſychiſchen, ber Yamilie, wie der Geſellſchaft entftammenden Bedingungen, deren Ein: wirfungen fich- auch der freiefte Geiſt, troß des volliten Bewußt- feind feiner Allgemeinheit und Ewigkeit nicht entzieht, anf deren Grunde er erft der Schmied jeined Glüdes und ſeines Unglüdes

Braut von Meffina. 91

wird. Gerade die Beobachtung der geſchichtlichen Thatſachen und felbft die materialiftiiche Betrachtung der Natur beftätigen dies, und da Sch. fo reflectirt hat, erfahren wir durch Böttiger’3 Mitthet- kungen bei Hoffm. V, 77. Diefelben find dankenswerth, weil fie es unmöglich machen, wie es freilich gleichwohl geſchehen ift, Sch. bie Einführung eines blinden und tauben Schidfales, welches den Un: ſchuldigen jchlägt, zuzuſchieben. „Es ift die Beobachtung, heit es dort aus Sch.’ 3 Munde, daß ein Bolt, ein Geſchlecht phyſiſch und moraliſch immer mehr ausarte, aber in diefer Ausartung auch fchon ben unvermeidlichen Fluch feiner Borfahren trage, und endlich, wenn das Map ganzvoll fei, ohne Rettung untergebe. Es fei hier eine wunderbare Wechjelwirkung; denn jo wie ed gefchehe, daß jelbft aus⸗ genrtete Kinder noch des Segens ihrer frommen unb gerechten Bor: fahren theilhaftig würden, fo könnten Schuld und Ruchlofigkeit der Bäter auch noch ein verderbendes Erbtheil für eine den An- heine nady ſchuldloſere Nachkommenſchaft werden.” Man barf dieſe Borftellungen antike ebenfowoh! als altteftamentalifche nen: nen, materialiftifche verbinden fih damit. „Man müfle bier mur das Animaliiche, welches in der Fortpflanzung, in der Race Itege und bei dem Menſchen Stammcharakter heiße, von dem unter: ſcheiden, was bie frühe Angewöhnung, Erziehung, Belipiele dem Stämmchen noch überdies einimpfen. Beides wirke gemeinfchaftlich. Bieled liege gewiß fchon im Blute. So wie ed Familiengefichter und Zamilienfranfheiten gebe, jo auch forterbende moralifche Ge: brechen und bei der zunehmenden phyſiſchen Schwäche auch ein moraliiched Unvermögen.“ So entſteht von der materiellen wie von der fittlihen Seite her der Begriff des Schidfaled, in wel: chem der Fluch mer ald die gewaltiam im Blige ſich entladende Elektricität der allgemeinen Atmoſphaͤre erjcheint.

Denn der ganz frei ift, welder alle Bedingungen feines Dafeins geiftig felbft geichaffen hat, Died aber mır Gott möglich it, fo ringt auch die Menfchheit nur nad ber Freiheit, indem fle der Nothwendigkeit und dem theild rohen, theild frivolen Spiele des Zufall3 möglichft viel abzugemwinnen fucht, oder indem fie jene

92 Braut von Meifina.

Nothwendigkeit, jenen Zufall in einen höheren, gelftigen Welt⸗ zuſammenhang zu bringen ftrebt, d. h. indem fie fir Ihr eigenes Beben als Ganzes eine Philoſophie der Geſchichte, für das Keben des Ein⸗ zelnen eine höhere, weiſe Fügung, eine leitende Vorſehung zu be⸗ gründen ſucht. Der in der Mitte ftehende Begriff des Schickſals aber ift kein Durchdachter, e8 tft Die Zujammtenfaffung der Ahnungen bed SGemirthölebens, des beängftigten Gewifſens, der feurigen Begeifte- rung für irgend eine hohe Sache; in dem dunkeln Gefühl einer ewigen, gerechten Vergeltung, bie oft wunderfam verfchlungene Pfade geht, fcheint er zu gipfeln. Ob dieje Dunkeln Wolfen, die den Horizont aller Lebensziele verfchleiern, fich einft ganz lichten werden, ob alles Leben des Einzelnen und der Geſammtheit ſich einft erweiſen wird als aus der Idee geboren, wer möchte es verneinen und wer wagte ed zu bejahen! Doch tft jo viel gewiß, daß, je mehr die Bedingungen und die Nothwendigkeiten ded Lebens, der Natur, der Gefchichte, der anererbten religiöfen Vorftellungen den Einzelnen einengen, ihm fein Freiheitsbewußtſein verfümmern, deſto günftiger der Boden für eine dichteriſche Darftellung des Schiefalöbegriffes ift. Aber au in ſolchen Epochen der Menſch⸗ beit wird es Abſtufungen geben, und wir möchten auf Die Wich⸗ tigkeit diefer Abftufungen bejonderd aufmerkſam machen. Am leichteften mißt man diefelben an den focialen Unterſchieden; fe dDrüdender und qualvoller die Nothwendigkeiten des Lebens find, befto mehr erfcheinen fie als blinde, von Ewigkeit her beftehenbe, ungzerbrechliche, und fehr ſchlimm würde die Philofophie des Dich: ters davonkommen, wollte man feinen Schidjaldbegriff nad) ben Morten des Dienerchored beurtbeilen: „Aber wenn fich die Kürften befehben, „Müflen die Diener fi) morden und töbten, . „Das tft Die Ordnung, ſo will ed bad Recht.”

Und noch Harer, aber auch noch bedenflicher lautet e8:

Ja, es iſt etwas Großes, ich muß es verehren,

Um einer Herricherin firitliden Einn,

Neber der Menſchen Thum und Verkehren

Blickt fie mit ruhiger Klarheit bin.

Draut von Meſſina. 93

Und aber treibt dad verworrene Streben Blind und finnlod durch's wüſte Leben.

Das ift der Schiefaläbegriff de in ewige Gefieln BR genen, unterworfenen Bolfed oder des Wächterd in der Antigone, welcher allerdings die Anſicht des griechiichen gemeinen Mannes und der Weiber (I. Raud zu Sophokles Antig. V, 286) vom Schickſal, aber nicht die des Sophokles und Perikles barftellt. So ift denn die alte Tragödie voll von Flüchen, Orakelſprüchen, träumen, die bann in allen Stüden wiederkehren, welche in Zeiten wilder inmerer und äußerer Kämpfe, bunfeln Ringens zum Lichte ſpielen, wie in der Zungfrau, im Wallenftein. In fpäteren Tagen, wo das Ziel ein klareres mit volltommmerem Bewußtſein verfolgtes wird, ſchwinden die Träume, verhallt Die Stimme ber Drakel, giebt ed nur noch einen Fluch, nur nohein Schid: fal, die Schuld, fo in Marla Stuart, fo bei Mirabeau, der auf Die Yrage, was dad Tragifche ſeines Geſchickes jei, bie derzzerreißenbe Antwort gab: „Meine Zugendfünden“.

Dad moderne Bewußtſein bat feinen größeren Feind als diefen rohen Begriff eines blinden Schidjald, mit deſſen Hülfe man ein freied Streben auf jedem Gebiete in fih vernichten könnte. Hätte Sch. diefen begründen wollen, wie man ihm vor: geworfen bat, jo müßte man ein folched Eindringen überwundener Geſichtspunkte allerdings ftreng zurüdweijen; ed genügt, wenn man zugiebt, daß Sch., um die dunfleren Seiten des Gemüthes darzuftellen, fich vielleicht zu künſtlich im eine und fremde Ber: gangenbeit zurückgedacht hat, die er jedoch mit den eigenen und unfern Anjchauungen zu vermitteln ftrebte. Wir glauben auch nicht, daß jemals der Begriff eined in ſich völlig dunfeln, von fitt- lihen Grundlagen ganz abgewendeten Schiejald eine gebildete Menſchheit irgendwo beherrſcht habe, oder daß Sch. fich dieſe Vor: ftellung habe lebendig denken können. Halten wir und, womit wir zugleich den Uebergang zur Erörterung der Schuld der Perjonen im Stüde machen, an die Sage von Dedipus, ohne weldye die

94 Braut von Meffina.

Braut von Meffina wohl kaum eriftiren möchte, fo mag in ber fophollefihen Tragödie „König Oedipus“, der Held per- fönlih fi keiner Schuld an der furdtbar tragiſchen Berwidlung ded Ganzen bewußt fein, immer fteht Doch vor dem Stüde der in heftiger Leidenfchaft begangene Mord an einem bochbetagten Wanderer, und Debipus hat Tiefe der Selbft- erfenntniß genug, um fich ſelbſt einen Antheil der Schuld an allem Geſchehenen beizumefien, wie denn auch Jokafte ſich durch Selbft- mord ftraft. Nun erflären ſich die Philologen Schneidewin und Naud in der Vorrede zu ihrer Ausgabe des griechifchen Textes des jophofleiihen Stüdes alſo: „Der den Göttern einmal verhaßte Oedipus beftätigt „den Volksglauben, daß mandem troß des beiten „Willend nichts gelinge, weil er den Göttern zuwider jet: „ein Glaube, der aus der Beobachtung ded oft ſchreienden „Abftanded zwiſchen Berdienft und Schickſal entiprang. „Niemand wolle glauben, dieje Auffaffung vertrage fich „nicht mit dem fittlichen Standpunkte unferes frommen „Dichterd. Die Grundlage feiner nie genug zu bemun- „dernden Kunftihöpfung fand er fertig vor: Schuld „und Strafe in Einklang zu ſetzen, fonnte nit „leine Aufgabe fein, falls er nicht den Sinn der „Sage verderben wollte. Sodann beachte man, daß Debt- „pus, wenngleich perſönlich noch fo rein, doch bie „Schuld feiner Eltern büßt. Denn nah dem Glauben „ded Alterthumed werden die Miffethaten der Eltern oft „an Kindern und Kindeöfindern heimgefucht, und fogar „tm bloßen Verkehr zieht die Sünde ber Unreinen bie „Reinen mit in’8 Berderben. Nach allem muß als Grund—⸗ „gedanke des fopholleiichen Dramas aufgeftellt werben: „den Sterblichen, fei er noch jo gut, bewahrt alle Wach: „ſamkeit über jetne Schritte nicht vor Vergehungen, aller „Scharffinn in der Erfenntniß des Richtigen frommt ihm „nicht, fobald ihm die Liebe der Bdtter entgeht.

Braut von Meffina. 95

„Mag der äußere Schein noch jo blendend fein, je jpäter „und unverhoffter, um fo tiefer ftürzen bie Götter ben „Sottverhaßten.“

Wenn folche Anfichten über Sophofles möglich find *) bie gelehrten Urheber derfelben erinnerten fich offenbar nicht des pla- toniſchen Dialoges Eutyphron, den wir auch ungelehrten Lefern empfehlen, noch auch der ariftotelifchen Lehre, die wir ſchon oben erwähnten —, wird Sch., welcher ber neidvollen Gegenwart an: gehört, fich nicht beflagen dürfen. Zener angebliche Götterhaß aber geht noch weit über den herodoteiſchen Götterneid hinaus, der, nur im Ausdrude befrembdend, eine vollftändig befriedigende, allgemein gültige Erflärung zuläßt. Unmöglich ift es, ſich unter lebenden Menſchen die Vorstellung eine8 unbegründeten Göt: terhafſes wirffam zu denfen, weil damit das Weſen aller Gotthett, als Bergelterin des Böfen, vollftändig vernichtet und die Grund: Inge jebes fittlichen Lebens zerftört fein würde.

Fordert dad Schlußwort ded Dichterd:-„Der Nebel größtes aber ift die Schuld” entſchieden dazu auf, ge: nau zu unterfudhen, wie er dad Schidfal feiner Helden durch die Schuld derjelben motivirt hat, jo bleibt es vorläufig Problem, wie Iſabella ſich ſchuldlos erflären darf, ein Problem, welches die bebeutenbften Kritifen durchaus nicht gelöft haben, indem fie für fie eine Schuld aufzufinden wifjen, die jelbft anzudeuten ber Dichter verjhmäht hat, während ed ihm Doch jo leicht geweſen wäre.

Weiter werden unfere Lejer aus unferer Darftellung, wie beſonders aus den angeführten Erörterungen Stein’8 und Schnei- bewin’8 erfannt haben, einen wie viel günftigeren Boden ber

*) So ohne Weiteres wenigftend können wir fie nicht hinnehmen (ſ. G. Dronke p. 77 ff), für die moderne Xragödie aber find fie jebenfalld voll- lommen unverwendbar; auch diejenigen Tragiker, welche man, wie Müller, mit feiner „SäHufb" des Traffeften Satallamus angeflagt Hat, werfuchen überall zu motiwiren und zulegt ein Gleichgewicht zwifchen Schuld ımb Strafe herzuftellen.

96 Draut von Meifina.

antife Dichter für die Daritellung bed Schickſalsbegriffes vor: fand ald Sch. und daraus erklärt ih, daß dieſer noch nach andern und allgemeineren Motivirungen für dad Verhängniß juchte, welches die Perjonen ded Stüdes trifft. So läßt er denn ben Chor von ſchwarzen Berbredden und Greueln jprechen, die in dem Yürftenhauje begangen jeien. Und im Allgemeinen denfbar find ſolche Dem Zufchauer wohl, bei der Gewaltſamkeit und Leiden: Ihaftlichfeit, die allen Mitgliedern der Yantilie eigen ijt; anders wirft freilich in Sphigenie die Aufzählung der fchaudernollen Sünbenreihe, die dem Atridenbaud den Fluch der Götter zuzieht. Dann aber tft auch der ganze fürftliche Beſitz des regierenden Geſchlechtes Ergebniß roher Eroberung und gewaltiamer Knedh: tung eines friedlihen Bolfed, welches nun jchadenfroh ben Unter: gang feiner Unterdrüder mit anfieht, mit um fo berechtigterem Grimme als e3 jagen durfte: „88 hat an diejen Boden kein Recht.“

——

„Gaftlich haben wir's aufgenommen,“

(Unſere Bäter bie Zeit tft lang)“

„Und jept ſehen wir und alle als Knechte“

„Unterthan diefen fremden Geſchlechte.“ Noch energifcher jpricht Iſabella jelbft diejen Gedanken aud. Wir Müpfen hieran die Erörterung über die Schuld der Perfonen im Stüde felbft, mit welcher wir einen Theil der Sch. gemachten Borwürfe zurüdzumeijen gebenfen.

Wie fteht ed mit der Schuld ber Perjonen im Stüde ſelbſt? Auf Siabella freilich möchten die Ausführungen Schrei: dewin’d und Naud’3 eine Anwendung finden, die wir äfthetijch nicht zu rechtfertigen vermögen und wir verweilen dazu einfach auf dad Gefühl, welches in und jo mächtig erregt wird, wenn ein überführter Verbrecher bis auf den legten Augenblid vor der Strafe an der Behauptimg ſeiner Unſchuld feitgehalten hat und mit feinem Geheimniß dahingegangen if. Wir glauben, daß, ohne den Pomp der dichteriichen Worte, in einfacher pro- fatiher Erzählung ein ſolches Verhältniß volljtändig unerträglich

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Brut von Meifina. 97

fein wide. Die von Don Gefar ihr vorgeworfene Heimlichkeit kun nicht Schuld genannt werden; ſchlimmer noch fteht ed mit dem Borwurf Beatrice's,

Der felbft und wir, und allen zum Verberben

Haft du den Todeögättern ihren Raub

Den fie gefordert, freveind vorenthalten! Deun nur auf dem Gebiete der Vorftelungen, die im Stücke herrſchen, kann dies hingenommen werben; der moderne Zuſchauer darf den Verfuch, ed in nüchterne Gedankenproſa zu überfegen, nit ungeftraft machen. Wenn der Uebel größted wirklich Die Schuld ift, fo ift für Iſabella die Tragödie nicht vorhauden, da fie ohne Schuld iſt ). Auf die ſchon oben berührten Verſuche der modernen Kritiker, ihr irgend eine Schuld anzudichten, wird immer zu antworten jein, daß diefe Schuld vom Dichter nicht in ihr Bewußtſein verlegt worden fit, und daß wir fie deshalb als eine folhe nicht anerkennen dürfen. Hoffmeiſter's kurzes Bort: „Sie hätte das Unwürdige von ihrem’ Gemahl nicht ertra: gen jollen“, erörtert Palleöfe, indem er ihr „Läßlichkeit“ wor wirft, „welche die wüſte Zerfallenheit der Yamilie, Die ſchmach- volle Ehe nicht von Grund aus zu heilen ftrebte”. Uber wo it das von Sch ald ein Motiv angedeutet worden? Der Leſer gedulde ſich einen Augenblid.

Sch. mußte bei der Schöpfung des Drama's überall fühlen, wie viel gimftiger die Stellung des antilen Dichterd folchen Stoffen gegenüber war, wenn im Herzen des Zufchauers fchon dad Bangen vor ben ewigen Bergeltungen ded Schickſals und vor der wunderbar geheimnißvollen Macht waltete, die unfere armen Erdengeſchicke oft fcheinbar willkürlich, immer unwider ſtehlich leitet, Die von uns ftet3 Die volle Hingabe an dad Gute

) Rain wird bied audgebrndt in bem fehr lesbar und lebendig gejchriebenen Bude: Melpomene oder über das tragifche Imterefie von M. Enk, Wien 1827, p. 112: ‚Man weiß garnicht mehr, was man denken foll, wenn Sfabella, die man doch für eine gute Chriftin halten muß, dann wieder im firengften Ernfte des Affects in bie Worte außbricht: Alles dies erleid' ich ſchuldlos u. |. m."

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verlangt und und doch jelbft faſt unvermeidliche Fallftride legt, und wenn dieſes Bangen bei dem Namen eines jener hehren Geſchlechter, deren einfame’Häupter Aurora mit den ewigen Strahlen berührt, aber much die Blike furchtbarer treffen, leben⸗ diger, tiefer und feierlicher erwachte. Aehnlich ſpricht fi, in feiner vortreffliden Abhandlung, Palledte aus: „Es ift nicht zu leugnen, daß die B. v. M. bei allen glänzenden Borzügen einiger: maßen den Eindrud des Künftlihen madt. Sch glaube, der Grund liegt in dem frei erfundenen Stoffe. Gerade bei einem Drama, wo der Schwerpunkt im Gange der Handlung Tiegt, ſollte vielleicht Die Handlung den Charakter des wirklich Ge⸗ ſchehenen ſchon in den Namen der Perfonen an ſich tragen, wentgftend müßte die gejchichtlihe Umgebung mit mehr Be- ſtimmtheit gezeichnet fein, als ed bier geichteht. Die Linien, aus welchen man fi die Situation geftalten muß, find in wenige Zeilen des Chor verftedt, und dadurch erhält die Grund⸗ lage des Stückes eine Unficherheit, welche bier am wentgften fühlbar fein müßte.” Wir glauben jhlieglih, Sch. hat ſich bie Wirkung einer fo reinen und hehren Prachtgeftalt, wie ST. ift „wie fie mit ihren Söhnen blühend ben Kreis bes Schönen ſchließt“ auf den Zufchauer, in weldyem der Dichter für das Erfte nur ſehr jelten einen Mitdenter zu fürdten bat, nicht entgehen laſſen mögen. Ober, um diefem Gedanken die Außerlihe Berechnung des Effektes zu nehmen, des Dichter Phantafie hat von der Sdealgeftalt des hohen Weibes nicht Iaflen und nicht abfallen mögen wie ftänbe es mit ber herrlichen Eröffnung des Stüdes, wenn an Sf. irgend eine moralifhe Schuld Mebte? Steht man näher zu, fo bemerkt man, daß auf ber vollen moraliihen Schuldloſigkeit der Mutter das Schönfteim Drama beruht, das Verhältniß der Söhne und Beatrice's zu ihr, denen fie wie ein höheres We» fen gegenüberftebt. Die reine Liebe, die alle in biefem Sinne mit einander vereint, die reinen Worte des Muttergefühles, welche ihrer Wirkung in jedem Herzen ficher find, wären un⸗

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möglich gewefen. Der nüchternen und in dieſer Nüchternheit eigentlich Doch widermwärtigen SZolafte”) hat Sch. ein Ideal ber fürftlihen Frau und der Mutter gegenüberftellen wollen mb it dadurch freilich wohl in unleugbare Widerfprüche gerathen mit fi (wie wir unten fehen werden) und mit dem antikifiren- ben Geifte ded Ganzen; der beutiche Leſer aber, wenn er nicht mit dem linken Auge ftet8 die Paragraphen des äfthetiichen Ge⸗ fepbuches durchfliegt, wird verſucht fein ihm recht zu geben. „Ein entzüdendes Gemälde der Mutterwürde” nennt es Hoffmei⸗ fter. Wir möchten geradezu behaupten, baß die Geftalt Sfabella’5 ein Hauptmotiv zur Schöpfung des San: zen gewefen tft. i